Predigten Oktober 2015 - Ev.-luth. Christus-Gemeinde Spetzerfehn

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Predigten Oktober 2015

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Predigt über Johannes 5, 1 – 16, 19. Sonntag nach Trinitatis; 11.10.2015
 
Bald darauf feierten die Juden ein Fest in Jerusalem, und auch Jesus ging hin. In der Stadt befindet sich nicht weit vom Schaftor entfernt der Teich Betesda, wie er auf Hebräisch genannt wird. Er ist von fünf Säulenhallen umgeben. Viele Kranke, Blinde, Gelähmte und Gebrechliche lagen in diesen Hallen und warteten darauf, dass sich Wellen auf dem Wasser zeigten. Von Zeit zu Zeit bewegte nämlich ein Engel Gottes das Wasser. Wer dann als Erster in den Teich kam, der wurde gesund; ganz gleich, welches Leiden er hatte. Einer von den Menschen, die dort lagen, war schon seit achtunddreißig Jahren krank. Als Jesus ihn sah und erfuhr, dass er schon so lange an seiner Krankheit litt, fragte er ihn: "Willst du gesund werden?" "Ach Herr", entgegnete der Kranke, "ich habe niemanden, der mir in den Teich hilft, wenn sich das Wasser bewegt. Versuche ich es aber allein, komme ich immer zu spät."
Da forderte ihn Jesus auf: "Steh auf, roll deine Matte zusammen und geh!" Im selben Augenblick war der Mann geheilt. Er nahm seine Matte und ging seines Weges. Das geschah an einem Sabbat.

Liebe Gemeinde, am Teich Betesda sieht man keine Spaziergänger wie am Ottermeer. Keine Sonntagsausflügler, die mit ihren Kindern Tretboot fahren. Der Teich Betesda ist kein Naherholungsgebiet. Er ist ein riesiges Krankenlager vor den Toren Jerusalems. Hier endet die Welt der Gesunden. Hier beginnt – fein säuberlich von den anderen abgetrennt – die Welt von denen, die krank sind. Die Welt von denen, die man abgeschrieben hat. Hunderte von kranken Menschen, die sehnsüchtig auf Hilfe warten - oder es längst aufgegeben haben.
Betesda – Teich des Bangens zwischen Hoffnung und Selbstaufgabe. Da ist niemand, der sich den Kranken zuwendet, wenn ihr Elend sie zu Boden drückt. Keine Selbsthilfegruppe, die das Leiden erleichtert. Nicht einer, der dem anderen zuhören mag, wenn der seine Leidensgeschichte erzählen möchte. Leiden macht einsam. Hier sieht niemand die Tränen dessen, der neben ihm liegt, weil jeder mit seinem eigenen Schicksal genug zu tun hat. Hier sind alle auf sich gestellt. Jeder von ihnen ist mit seinem Lebenskummer allein.

Der Teich Betesda: ein Teich am Schaftor von Jerusalem. Umgeben von fünf Säulen-
hallen. Gespeist von einer unterirdischen Quelle, der man heilende Kraft für alle nur denkbaren Gebrechen zuschreibt. Ab und zu sprudelt die Quelle plötzlich. Die Volksfrömmigkeit hat dafür eine Deutung. Man glaubt: wenn die Quelle sprudelt, kommt ein Engel herab und bewegt das Wasser. Und wer als erster in den Teich steigt, wird geheilt.
Wir schmunzeln vielleicht über solchen Aberglauben. Aber wer schon einmal im Krankenhaus lag, weiß: dort wächst die Sehnsucht nach Engeln. Nach den heilenden Kräften des Himmels. Nach einer heilsamen Berührung durch Gott. Im Krankenhaus wird die Wand zwischen Himmel und Erde dünner. Da brechen ungeahnte Sehnsüchte auf – plötzlich, so wie die Quelle am Teich Betesda.

Aber - so die Volksfrömmigkeit - eben nur der erste wird geheilt. Nur der erste, der in den Teich steigt, nachdem das Wasser sich bewegt hat. Nur der erste. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Schnelligkeit zählt. Taktik, die den anderen ausbootet. So werden sie sich gegenseitig zu Konkurrenten, die am Teich des Elends. Betesda – ein Spiegelbild unserer kranken Gesellschaft: Konkurrenz um jeden Preis. Ellenbogengesellschaft. Jeder, der noch laufen oder wenigstens noch kriechen kann, versucht, die anderen abzuhängen, wenn die Quelle zu sprudeln beginnt, die Leben verspricht. Und jedes Mal gibt es einen Sieger und unzählige Verlierer.

Von einem Verlierer, einem Dauerverlierer, erzählt unsere Geschichte. 38 Jahre schon drückt ihn die Krankheit zu Boden. 38 Jahre – ein halbes Leben. Bewegungslos liegt er auf seiner Matte. Niemand, der ihn zum rettenden Wasser trägt. Keine Chance, den Teich rechtzeitig zu erreichen. Sein Leib erstarrt. Und seine Seele vermutlich auch. Was mag in ihm vorgehen? Worum drehen sich seine Gedanken? Wovon und woraufhin lebt er? Ich kenne Menschen, die seit Jahren fest liegen auf ihren Verletzungen. Die nicht mehr auf die Beine kommen nach den Wunden, die ihnen das Leben schlug. Den Mann am Teich Betesda quält die Aussichtslosigkeit seiner Lage. Ein hoffnungsloser Fall. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Da betritt Jesus die Hallen am Teich Betesda. Zu Hunderten sieht er sie liegen. Das Elend der vielen Menschen geht ihm zu Herzen. Aber seltsam: Er geht nur auf den einen zu, der 38 Jahre lang am Boden liegt. Warum gerade auf ihn? Und warum nur auf ihn? Warum nicht auch auf die anderen? Jesus, warum machst du nicht aus dem ganzen Elendsquartier von Betesda ein Paradies von Geheilten, die über ihre Rettung jubeln? Warum stirbt der eine bei einem Verkehrsunfall und der andere wird bewahrt? Warum schlägt bei dem einen die Chemotherapie super an und er kann durchstarten in ein neues Leben – und bei dem anderen bleibt alle ärztliche Kunst vergeblich? Warum verliert ein Ehepaar ein Kind, während andere das Glück einer gesunden Familie genießen? Warum leben die einen im syrischen Bürgerkrieg und die anderen im Wohlstandsglück der Bundesrepublik?

Bohrende Fragen. Fragen nach der Gerechtigkeit. Fragen nach Gott. Wir kennen sie. Und ahnen zugleich: Sie bleiben unbeantwortet. Zumindest heute noch. Jede vorschnelle Antwort wäre zynisch. Als Jesus sich kurz vor seinem Tod von seinen Jüngern verabschiedete, hat er ihnen gesagt: „Ihr werdet mich wiedersehen. Und an diesem Tag werdet ihr mich nichts mehr fragen“. Aber dieser Tag, der Tag, an dem Gott endgültig alle Tränen abwischen wird von unseren Augen, dieser Tag, der unsere letzten Fragen beantwortet - er ist noch nicht da. Noch bohren die Fragen. Sitzen wie ein Stachel in unserem angefochtenen Glauben. Gott mutet uns offenbar zu, auch mit offenen Fragen zu leben.

Aber nun stellt Jesus dem Mann auf seiner Krankenmatte selbst eine Frage - eine seltsame, unverständliche Frage: „Willst du gesund werden?“ Wie kann man nur so fragen? Was wünscht sich einer, der 38 Jahre lang krank liegt, sehnlicher, als endlich gesund zu werden? Wer will nicht wieder auf die Beine kommen, wenn er fast 4 Jahrzehnte auf der Matte lag? Jesus, warum fragst du das: Willst du gesund werden? Vielleicht, weil nicht jeder wirklich wieder aufstehen will, wenn das Leid ihn zu Boden geworfen hat. Es klingt merkwürdig – aber mancher bleibt lieber liegen. Man kann nämlich mit seinem Leiden auch kokettieren. Zum Beispiel, indem man sich selbst bedauert und sich von anderen bemitleiden lässt. Das kostet nicht viel und bringt einem wenigstens etwas Aufmerksamkeit ein. Wenn man schon auf der Bühne der Leistungsträger keine Rolle mehr spielen kann, steht man wenigstens mit seinem Leiden im Rampenlicht. Aber hilft das? Das Selbstmitleid und das ständige Sich-von-anderen-Bedauern-Lassen – manchmal ist es genau das, was uns lähmt und uns nicht wieder auf die Beine kommen lässt. Willst du gesund werden? Dich erheben aus deinen Sorgen, die dich zu Boden drücken? Geheilt werden von Verletzungen, auf die du dich immer wieder zurückziehst? Spürst du, dass dir dein Selbstmitleid gar nicht gut tut, sondern dich immer mehr schwächt? Willst du, obwohl dir viel zugemutet wurde, wieder Schritte ins Leben gehen - oder lieber liegenbleiben auf der Matte deiner Enttäuschungen? Willst du gesund werden? Eine spannende Frage für jeden, der sich seit Jahren am Teich Betesda eingerichtet hat.
„Ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser sich bewegt!“ Das ist die Antwort des Kranken auf Jesu Frage. Ich habe niemanden! Er spürt, dass
er Hilfe braucht. Die Beine eines anderen Menschen, der seine gelähmten Beine ersetzt. Der Mann leidet nicht nur an seiner chronischen Krankheit. Er leidet auch und vor allem am Alleinsein. Ihm fehlen Mit-Menschen. Der Theologe Karl Barth hat einmal gesagt: „Der Mensch ohne den Mitmenschen ist nicht der Mensch, sondern das Gespenst des Menschen“. Ja, sie ist wirklich gespenstisch, diese Szene am Teich vor den Toren Jerusalems. Sie schreit geradezu nach Engeln der Barmherzigkeit. Und es können ganz alltägliche Menschen sein, die uns begleiten und stützen, die nachfragen und zuhören, die Geduld haben, wenn wir nicht so schnell wieder auf die Beine kommen, wie wir möchten. Menschen, vor denen man seine Tränen nicht verstecken muss. Und die zugleich auch Tränen trocknen helfen. Wir können einander zu Engeln werden. Können uns gegenseitig beim Aufstehen helfen. Die wenigsten von uns laufen ganz allein zum Wasser des Lebens, zur Quelle der Heilung, zum lebendigen Christus. Die allerwenigsten kommen von allein auf die Beine, wenn sie ermattet sind von dem, was das Leben ihnen abgefordert und zugemutet hat. Viele werden von anderen dahin getragen, wo das Wasser der Lebenskraft sprudelt.
Durch einen Anruf oder einen Besuch. In der Fürbitte, im Anteil nehmenden Gespräch, in der seelsorgerlichen Begleitung. Und nicht selten merken wir es erst hinterher, dass sich in aller menschlichen Zuwendung, die wir erfahren, Gott selbst versteckt hält, der uns trägt und
heilt und wieder auf die Füße stellt.

„Steh auf, nimm deine Matte und geh!“, sagt Jesus zu dem Mann. Ich kann mir gut vorstellen, wie der Kranke ihn irritiert anschaut. Wie Jesus ihm die Hand reicht. Ihm aufstehen hilft. Ihn stützt auf den ersten Metern. Aber warum soll er seine Matte aufrollen und mitnehmen? Kann er die nicht liegen lassen? Warum die 38jährige Vergangenheit nicht einfach abstreifen wie ein zerschlissenes Gewand? Ja, wenn das so einfach wäre! Wer verwundet wurde, trägt Narben davon. Wem das Leben viel zugemutet hat, dem sind die Zeichen der Ermattung auch dann noch ins Gesicht geschrieben, wenn er wieder gehen lernt. Wenn wir vom Leben und durch Leid gezeichnet wurden, können wir das nicht einfach abschütteln wie eine Matte. Aber es ist ein Unterschied, ob man auf seiner Matte liegen bleibt, oder ob man es auf Jesu Wort hin wagt, aufzustehen um mit seiner Matte auf den Schultern neu ins Leben zu gehen: „Steh auf, nimm deine Matte und geh!“ Ohne Wunden geht niemand durchs Leben. Und manchmal zwingt uns das Leid auf die Matte der Lähmung und zieht uns den Boden unter den Füßen weg. Was immer dir Wunden geschlagen hat – ich wünsche dir, dass ein Engel heilsam dein Herz berührt wie damals das Wasser im Teich Betesda. Ich wünsche dir, dass sich Menschen an deine Seite stellen, die dir beim Aufstehen helfen und dich stützen auf den ersten Metern des Weges. Und vielleicht entdeckst du dabei je länger, desto mehr: Es ist der auferstandene Christus selbst, der sich deiner Matte genähert hat, und an dessen Hand du nun neue Schritte ins Leben tun kannst. Amen.


Predigt über EG 334; Erntedankfest; 04.10.2015

Liebe Gemeinde, sicher habt ihr das alle schon mal gesehen, wenn ihr beim Schlachter eingekauft habt oder im Supermarkt an der Wursttheke: da steht ’ne Mutter mit ihrem Kind und als sie ihren Einkauf soweit erledigt hat, reicht die Verkäuferin dem Kind ein Wienerwürstchen rüber. Meistens klammern die Kinder so’n Würstchen gleich in ihre Hand und stopfen es dann wortlos in den Mund. Und fast immer sagt dann die Mama: „Was sagst du?“ Und nach diesem kleinen Tipp klappt es dann meistens und das Kind sagt artig „Danke!“ Einmal hab ich das aber auch anders erlebt. Damals hatte Dirk Hedemann noch sein Geschäft am Neuen Weg. Da sollte ein schon etwas größeres Kind ’n Würstchen bekommen, aber statt „Danke!“ zu sagen, rief es ganz energisch: „So ’ne Wurst will ich nicht! Papa sagt immer, da tut ihr nur das rein, was ihr sonst nicht mehr verkaufen könnt!“ Das war peinlich auf der ganzen Linie! Gedacht ist es anders: dass da jemand etwas leckeres bekommt und sich drüber freut und dafür „danke“ sagt.

Heute feiern wir Erntedankfest. Und dieses Fest ist so ähnlich wie die Mutter, die am Tresen fragt: „Was sagst du?“ Und ich glaube: das haben wir manchmal nötig, dass wir daran erinnert werden, „Danke!“ zu sagen. Nicht, weil wir undankbar wären – aber weil wir manchmal ziemlich vergesslich sind. Ein Kind, das so’n Würstchen kriegt, ist auch ja meistens nicht undankbar, auch wenn es von selbst nicht danke sagt. Es vergisst diesen Dank in seiner Freude einfach nur. Und da ist die Erinnerung von Mama dann ganz gut. Und wir sind im Normalfall auch nicht von Grund auf undankbar. Oft erlebe ich das Gegenteil: dass Menschen für viele Dinge unendlich dankbar sind. Aber so im normalen Alltag geht dieser Dank manchmal einfach unter – ohne bösen Willen. Und dann ist es gut, dass wir gefragt werden „Was sagst du?“. Und genau diese Funktion hat das Erntedankfest! Dass wir erinnert werden: Nu sag mal „Danke!“ Aber warum ist das gut? Warum ist der Dank wichtig? Ich meine, dass es mindestens zwei Gründe sind, warum es gut ist, wenigstens von Zeit und Zeit ganz bewusst „Danke!“ zu sagen.

1.: Es ist gut für den, der beschenkt wird.
Danken und denken – das klingt nicht nur ganz ähnlich, das gehört auch ganz eng zusammen. Wenn wir bewusst für etwas danken, dann kommen wir wie von selbst dazu,
dass wir anfangen, nachzudenken. Und dann wird es uns sicher bei vielen Dingen klar, dass wir sie haben, ohne dass wir einen Anspruch auf sie haben. Uns fallen ja oft die Dinge ein, die wir nicht haben. Das Geld, das ich nicht habe, das sitzt mir meistens mehr im Kopf als das Geld, was ich habe und dass ich damit so einigermaßen gut rumkomme. Das Wetter, das wir nicht haben, beschäftigt uns oft viel mehr als das, das wir haben. Ich bin überzeugt: wenn wir bewusst anfangen zu danken, dann fallen uns wie von selbst ganz viele Dinge ein, für die wir danken können. Auf die wir keinen Anspruch haben, die wir aber trotzdem haben. Und umgekehrt: wer bewusst über sein Leben nachdenkt, der kommt wie von selbst vom denken zum danken. Und darum ist der Dank erstmal gut für uns selbst: er hilft uns, bewusster zu leben. Dass ich mich bewusster an bestimmten Dingen freue.


Danken ist aber auch wichtig für den, der schenkt! Beispiel von Bernd’s KonfBrief von Tante Edith... kein Geld ... Dank für nette Karte, aber eben nicht für Geld, weil es war ja kein Geld gekommen ... Nachfrage von Tante Edith: Ich hab dir doch zweihundert Euro geschickt...“ ... Nachforschungen: das Geld war von jemandem aus dem Briefumschlag geklaut worden!

Der Dank zeigt also auch dem, der etwas geschenkt hat: es ist angekommen! Das, was ich gegeben habe, hat jemanden froh gemacht!
Erntedank. Da geht es darum, Gott zu danken. Für das, was Er gibt. Nicht nur das, was wir im engeren Sinne essen und trinken. Das Erntedankfest nimmt viel mehr in den Blick: die ganze Fülle unserer Lebensmöglichkeiten. Und in unserem Gesangbuch steht ein Lied, das von diesen Lebensmöglichkeiten einige in den Blick nimmt. Ganz unterschiedliche Sachen werden da angesprochen. Und wir wollen dieses Lied jetzt erstmal singen und dann sag ich noch kurz was dazu.

Lied 334 „Danke für diesen guten Morgen...“

Auch hier bei uns in der Gemeinde singen wir dieses Lied oft und gern. 1961 wurde es von Martin Schneider komponiert – er schrieb es für einen Wettbewerb für neue geistliche
Lieder. Er hat damit gewonnen und von Anfang an war dieses Lied erfolgreich. Sogar bis in die Hitparaden hat dieses Lied es geschafft – 1963 war es sechs Wochen lang in den Top-Ten der Hitparaden. Ich glaube, es sind die einfachen Worte und die ganz einfache Melodie, die es so beliebt gemacht haben. Und dass es eben so ein religiöses Grundgefühl aufnimmt. Es hilft uns einfach, „Danke!“ zu sagen und malt uns dabei Dinge vor Augen, die in unserem Leben vorkommen. Die wir oft für selbstverständlich halten, die aber nicht selbstverständlich sind.

Schon die Melodie von diesem Lied hat etwas, was den Dank so wichtig macht. Ihr habt es gerade ja mit Sicherheit gemerkt, als wir es gesungen haben: der Posaunenchor hat nach jeder zweiten Strophe einen halben Ton höher angestimmt. Und sogar die unmusikalischen unter uns haben das super hingekriegt, dass sie dieses Lied letztlich in drei verschiedenen Tonarten gesungen haben. Das ist doch was! Unser Dank ging aufwärts! Nach oben! Und genau das passiert oft, wenn wir danken: dass wir aufgerichtet werden! Unsere Vorfahren im Glauben hatten zwar dieses Lied noch nicht, sie wusste aber um diesen Effekt, den ich meine. Sie haben das in einen Reim gebracht: „Loben zieht nach oben und danken schützt vor wanken!“ Diese Worte mögen alt sein – aber das, was sie meinen, kennen sicher die meisten von uns: es gibt mehr als genug, was uns runterziehen kann. Da brauche ich gar nicht viel aufzählen, jeder von uns hat da selber genügend Beispiele für das, was ihm das Leben schwer macht. Aber viele von uns wissen auch: wenn ich mal ganz bewusst das in den Blick nehme, wofür ich auch noch dankbar sein kann, dann hilft mir das! Das hilft mir dazu, dass ich nicht nur auf das kucken muss, was belastend ist, sondern dass ich merke: es gibt auch noch vieles, was mir gut tut! Vor ein paar Tagen hatte ich Kontakt mit mehreren Familien, die es im Moment ziemlich schwer haben, weil sie große gesundheitliche Probleme haben. Aus der einen Familie schrieb mir jemand: „Meine Krankheit will mich runterreißen –
und fast hätte sie das auch schon geschafft. Aber dann habe ich daran gedacht, dass meine Freunde für mich da sind – und sie wollen, dass ich noch lange bei ihnen bin. Für solche Freunde bin ich dankbar – sie wecken Lebensmut in mir. Ich will jetzt weiterkämpfen!“
Und aus einer anderen Familie wurde mir gesagt: „Wir sind dankbar für jedes Gebet, das jemand für uns spricht!“ Diese Menschen wissen: andere treten für uns bei Gott ein! Und dafür sind sie dankbar! Und diese Dankbarkeit hilft ihnen, dass das Schwere nicht die Oberhand gewinnt. „Loben zieht nach oben, und Danken schützt vor wanken!“ Danken richtet auf! Es geht vom Danken Kraft aus!



Danke...“ – ich mag dieses Lied! Aber ich weiß auch: es hat nicht nur Freunde. Dieses Lied hat auch so etliche Kritiker. Und die stoßen sich vor allem daran, dass in diesem Lied die ganzen wichtigen Kernaussagen unseres Glaubens nicht vorkommen. Es wird nichts davon
gesagt, dass Gott sich am deutlichsten in Jesus zeigt. Es wird nichts davon gesagt, dass Jesus für uns den Weg zu Gott freigemacht hat. Es wird nichts davon gesagt, dass Jesus
uns die Tür zu Gottes neuer Welt aufmacht. Dadurch, dass er aufstanden ist. Es wird nichts von Vergebung und Versöhnung und Gnade gesagt. Das stimmt! Davon ist nicht die Rede in diesem Lied. Aber dabei muss ich an die zehn Menschen denken, von denen das Neue Testament erzählt. Die zehn, die alle eine furchtbare Krankheit haben. Sie sind schon ausgestoßen aus ihrer Familie und aus ihrem Dorf. Fristen alleine für sich ihr Leben. Verfaulen bei lebendigem Leib, weil sie Aussatz, Lepra, haben. Und dann gehen sie zu Jesus. Und Jesus heilt sie. Sie können es gar nicht fassen: alle Geschwüre sind weg! Sie können ihre Hände und Füße wieder gebrauchen. Können zurück in ihr Dorf, wieder mit ihren Familien leben! Zehn Menschen wird die Gesundheit geschenkt. Aber nur einer kommt zurück und sagt „Danke!“ zu Jesus! Und Jesus diskutiert mit ihm nicht über die zentralen christlichen Begriffe und über das, was dahintersteckt. Jesus freut sich einfach nur, dass dieser Eine „Danke!“ sagt! Und er erkennt daran: der hat was davon begriffen, wer eigentlich hinter seinem Leben steht. Und wer die Kraft hat, sein Leben zum Guten zu verändern. An diesem einfachen „Danke!“ erkennt Jesus das uns er freut sich darüber. Solchen Dank sollten wir nicht gering schätzen. Sondern einfach in ihn einstimmen. Unser persönliches Erntedankfest, feiern. Amen.








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