Predigten Dezember 2014 - Ev.-luth. Christus-Gemeinde Spetzerfehn

Direkt zum Seiteninhalt

Predigten Dezember 2014

Predigten > 2014


Predigt über Matthäus 24, 1-14; 2. Sonntag im Advent; 07.12.2014

Liebe Gemeinde, „Wie lange noch?" So fragen jetzt viele Kinder, weil sie sich auf Weihnachten freuen und es kaum noch abwarten können. Und damit sie sich besser vorstellen können, wie lange es noch dauert, machen sie am Adventskalender jeden Tag ein Türchen auf und dann können sie sehen, wie viele Türchen es noch sind bis Weihnachten.

„Wie lange noch?" Das wollen seine Jünger auch von Jesus wissen, als er ihnen erklärt, dass diese Welt keinen Bestand haben und dass Er wiederkommen wird, um eine andere, neue Welt zu errichten. Um alles neu zu machen. Besser. Heiler. „Wie lange noch? Wann ist es soweit?" Was und wie Jesus darauf antwortet, das hören wir im Predigttext für heute, Mt 24, 1-14:

Jesus verließ den Tempel und wollte weggehen. Da kamen seine Jünger zu ihm und wiesen ihn auf die Prachtbauten der Tempelanlage hin. Aber Jesus sagte: „Ihr bewundert das alles? Ich sage euch, hier wird kein Stein auf dem andern bleiben. Alles wird bis auf den Grund zerstört werden."  Dann ging Jesus auf den Ölberg und setzte sich dort nieder. Nur seine Jünger waren bei ihm. Sie traten zu ihm und fragten ihn: „Sag uns, wann wird das geschehen, und woran können wir erkennen, dass du wiederkommst und das Ende der Welt da ist?" Jesus sagte zu ihnen: „Seid auf der Hut und lasst euch von niemand verführen! Viele werden unter meinem Namen auftreten und von sich behaupten: 'Ich bin der wiedergekommene Christus!' Damit werden sie viele irreführen. Erschreckt nicht, wenn nah und fern Kriege ausbrechen! Es muss so kommen, aber das ist noch nicht das Ende. Ein Volk wird gegen das andere kämpfen, ein Staat den andern angreifen. In vielen Ländern wird es Hungersnöte und Erdbeben geben. Das alles ist erst der Anfang vom Ende - der Beginn der Geburtswehen. Dann werden sie euch an die Gerichte ausliefern, euch misshandeln und töten. Die ganze Welt wird euch hassen, weil ihr euch zu mir bekennt. Wenn es soweit ist, werden viele vom Glauben abfallen und sich gegenseitig verraten und einander hassen. Zahlreiche falsche Propheten werden auftreten und viele von euch irreführen. Und weil der Ungehorsam gegen Gottes Gesetz überhand nimmt, wird die Liebe bei den meisten von euch erkalten. Wer aber bis zum Ende standhaft bleibt, wird gerettet. Aber die gute Nachricht, dass Gott schon angefangen hat, seine Herrschaft aufzurichten, wird in der ganzen Welt verkündet werden. Alle Völker sollen sie hören. Danach erst kommt das Ende."

„Wie lange noch?" Ist das, was Jesus dazu sagt, sozusagen ein Fahrplan, an dem man ablesen kann, wie weit der Countdown bis zum Ende dieser Welt schon abgezählt ist? Eine Hilfe, wie wir die Katastrophen dieser Welt einordnen können und dann möglichst genau rauskriegen, wann das alles ein Ende hat?  Es hat ja immer wieder solche Versuche gegeben. Dass Menschen gesagt haben: das und das ist jetzt schon passiert, also dauert es noch so und so lange, und dann kommt Jesus wieder und richtet das Reich Gottes auf.  Mehrere solcher Zeitansagen und Datumsvorhersagen sind schon vergangen, ohne dass das Ende dieser Welt gekommen ist.  Kann man darum sagen, dass Jesus mit dem, was er sagt, unzuverlässig ist?  

Ich finde es sehr interessant, wie er auf diese Frage „Wie lange noch?" Darauf gibt Jesus ihnen nicht sozusagen ein Meterband und da können sie nun von Ereignis zu Ereignis einen Zentimeter abschneiden und irgendwann ist dann das Ende da. Jesus antwortet überhaupt nicht mit konkreten Daten, sondern er sagt zuerst: „Seht zu und lasst euch von niemandem verführen!" Und am Ende heißt es: „Wer aber bis zum Ende standhaft bleibt, der wird gerettet." Also: lasst euch nicht abbringen und haltet durch!   „Seht zu und lasst euch von niemandem verführen!"  Ja, es werden Menschen auftreten, die werden sagen: Ich bin der, auf den ihr die ganze Zeit gewartet habt! Der, der die Probleme der Welt in den Griff kriegt. Der Licht in das Dunkel dieser Welt bringt. Ihr müsst mir nur folgen, ihr müsst mir bedingungslos gehorchen, dann werdet ihr mit mir zusammen ein neues Reich errichten!"  
In unserem eigenen Volk haben wir so etwas ja erlebt. Vor gut 80 Jahren war da auch eine ganz starke Sehnsucht danach, dass da einer kommt, der so richtig aufräumt und durch-
greift. Und dann war da plötzlich jemand. Er behauptete von sich, dass von ihm das Heil ausginge. Darum ließ er sich auch mit „Heil Hitler" grüßen. Ein Verführer, der sich „Führer" nannte und bei dem auch viele Christen vergessen haben, dass doch in der Bibel steht: „Es ist in keinem anderen das Heil und ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden."

„Seht zu und lasst euch von niemandem verführen", warnt Jesus. Vielleicht ist die Gefahr der Verführung durch eine einzelne starke Persönlichkeit heute nicht ganz so groß wie damals. Viel verführerischer sind wahrscheinlich die, die mit scheinbar einfachen Lösungen das beheben wollen, was in unserem Land und in unserer Gesellschaft schief läuft.  „Von den vielen Ausländern geht eine Gefahr für unsere Gesellschaft aus. Darum müssen die weg!"  Oder: „Die ganzen Hartz-IV-Leute kriegen viel zu viel Geld! Und wenn sie schon so viel kriegen, könnten sie ja wohl dafür was für die Allgemeinheit tun!" Nur zwei Beispiele für etwas, was wie eine einfache Lösung von vielen Problemen aussieht. Aber wenn man da mal genau drüber nachdenkt, dann merkt man schnell: das ist viel zu einseitig und zu kurz gedacht. Jesus ruft uns zur Skepsis auf gegen angeblich einfache, schnelle Lösungen und gegen angebliche Heilsbringer. Er will uns die Augen öffnen, damit wir nicht kritiklos hereinfallen auf Menschen und Programme, die vielleicht toll glänzen, die aber letztlich auch nur mit Wasser kochen und keine Patentrezepte haben.

Ein zweites spricht Jesus an: unsere Sehnsucht nach Harmonie.  Gerade die Advent-
und Weihnachtszeit ist ja eine Zeit der Harmonie. Die vielen Kerzen, die Musik, der Glanz in den Kinderaugen, die Adventfeiern von Vereinen und Betrieben, wo sie alle friedlich beieinander sitzen und Glühwein trinken, auch wenn sie einander sonst nicht ausstehen können. Und zu Weihnachten dann die Besuche bei der Verwandtschaft, zu der man sonst nicht so unbedingt den Draht hat.  Zu Advent und Weihnachten gehört das für viele dazu. Zeit der Harmonie. Jesus stört diese Harmonie empfindlich und er redet sehr ernüchternd. „Ihr werdet hören von Kriegen und Kriegsgeschrei, denn das muss so geschehen..." Ich verstehe das so: Jesus will uns sagen, dass Konflikte dazugehören. Im Großen und im Kleinen. Natürlich sollen wir nicht aufhören, uns um Frieden zu bemühen. Und das hat ja auch schon viel gebracht. Wer hätte denn vor 30 Jahren gedacht, dass atomare Abrüstung möglich ist und dass Amerika und Russland einen großen Teil ihrer Atomwaffen verschrotten. Aber so gut das war: heute liegt schon wieder Kälte in der politischen Luft zwischen Ost und West. Und inzwischen gibt es längst ganz andere Bedrohungen, die neu dazugekommen und die brandgefährlich sind – wenn wir z.B. nur an den islamischen Terror denken und an alles, was damit verbunden ist. Überall ist es zu spüren: die Harmonie ist empfindlich gestört. An allen Ecken und Enden ist Sand im Getriebe. Terrorangst und Kriege und Bürgerkriege sind die Dinge, die den großen Weltfrieden stören. Und Gehässigkeit und Klatschsucht und die spitzen Bemerkungen und die Geldgier, mit denen wir es manchmal zu tun haben, das sind die Dinge, die den „kleinen" Frieden stören. Die dafür sorgen, dass Nachbarn nicht mehr miteinander reden und dass Familien auseinander brechen, nachdem Vater und Mutter gestorben sind und ihr Erbe hinterlassen haben.

Die Harmonie ist gestört. Aber trotzdem ist die Sehnsucht nach Harmonie da, nach heilen Beziehungen, nach Wärme und Geborgenheit. Und dieser Wunsch nach Harmonie auf der einen Seite und die Tatsache, dass diese Harmonie oft nicht gegeben ist, dieser Zwiespalt bringt dann Menschen oft dazu, dass sie sich zurückziehen. In die eigenen vier Wände und vor den knisternden Kamin. Am liebsten nichts hören und nichts sehen von der Welt. Am besten den Konflikten aus dem Weg gehen. Und gerade die Zeit um Weihnachten herum ist so eine Zeit, in der viele Konflikte tot geschwiegen werden. Diese Zeit um Weihnachten ist irgendwie aufgeladen. Vorsicht, Hochspannung! Und gerade wenn es besonders friedliche und harmonische Tage werden sollen, kracht es oft besonders heftig. Weil der Druck einfach zu groß wird und die Konflikte sich nicht mehr beherrschen lassen. Darum ist zum Beispiel die Rettungsleitstelle in Wittmund an Heiligabend auch mit mehr als der doppelten Anzahl von Mitarbeitern besetzt als an allen anderen Tagen. Weil gerade dann bei vielen die Emotionen überkochen und es kracht und die Leute sich in die Haare kriegen.

„Ihr werdet hören von Kriegen und Kriegsgeschrei, denn das muss so geschehen..."  Nicht, weil es so toll ist, sondern: dass das geschieht, dass es Konflikte gibt im Kleinen wie im Großen, das ist sozusagen ein Erkennungszeichen für diese erlösungsbedürftige Welt. So lange Jesus noch nicht wiedergekommen ist und alles neu gemacht hat, so lange ist das so. Und das will Jesus uns deutlich machen. Damit wir uns darauf einstellen und davon nicht überrascht sind. Es gehört dazu, dass es Streit gibt und kriegerische Auseinandersetzungen und dass es zu Konflikten kommt.   Dass Jesus die, die Frieden stiften, seligpreist, das gilt weiterhin. Und natürlich sollen wir als Christen uns für den Frieden einsetzen, gar keine Frage! Aber Jesus will uns vor der Illusion bewahren, als wenn wir mit menschlichen Mitteln umfassenden Frieden schaffen können. Und an der Stelle geht Jesus dann einen Schritt weiter, wenn er sagt: „Wer aber bis zum Ende standhaft bleibt, der wird gerettet."  Das ist keine Durchhalteparole, so nach dem Motto: Augen zu und durch, irgendwann werden wohl wieder bessere Zeiten kommen!

Jesus meint es anders: Ja, es gibt Konflikte. Es gibt Dis-Harmonie. Aber wir sollen davor nicht weglaufen. Wir sollen uns auch nicht in unsere christliche Gemeinde zurückziehen und die Türen zumachen und so tun, als würde es die Welt mit ihren Problemen gar nicht geben. Hauptsache, wir haben eine heile Welt und uns geht es gut!  Jesus sagt: Tut das nicht! Flieht nicht! Bleibt! Stellt euch auch den Dingen, die schwierig sind! Haltet dort, wo es nicht anders geht, einen Konflikt auch aus. Gebt einen Menschen nicht gleich auf, auch wenn er Fehler gemacht und versagt hat. „In der Liebe bleiben", heißt das mit den Worten Jesu. Und er sagt voraus: viele werden das nicht aushalten. Vielen auch von uns Christen wird es wichtiger sein, für sich selbst zu sorgen als für unseren Nächsten. Vielen wird es wichtiger sein, selbst Recht zu behalten, als zuzugeben, dass man selber auch Fehler gemacht hat. Und darum wird auch die Gemeinde der Christen unter Druck kommen, weil sie in sich uneins geworden ist und viele werden die Gemeinde verlassen, um ihr eigenes Schäfchen ins trockene zu bringen. Jesus wirbt darum, dass wir es anders machen. Dass wir standhaft bleiben. Bei ihm bleiben. Dass wir uns nicht zurückziehen. Sondern dass wir Flagge zeigen und dass wir uns nicht dafür schämen, dass wir zu ihm gehören, dass wir Christ sind.  
Natürlich dürfen wir es uns in den Adventswochen gemütlich machen und dort, wo es geht, diese Zeit genießen. Aber aufs Ganze gesehen sollen wir uns nicht in unsere kleinen geschlossenen Kreise zurückziehen. Ganz im Gegenteil. Die Zeit, die wir haben, die soll genutzt werden. Jesus sagt: „Die gute Nachricht, dass Gott schon angefangen hat, seine Herrschaft aufzurichten, wird in der ganzen Welt verkündet werden. Alle Völker sollen sie hören. Danach erst kommt das Ende." Die gute Nachricht von Jesus Christus muss hinaus. Wir sollen und dürfen es nicht für uns behalten, wir sollen und dürfen uns nicht nur selbst daran freuen. Das Licht soll hinaus strahlen. Dorthin, wo es dunkel ist.  Wir sollen unsere Augen nicht vor der Dunkelheit der Welt zumachen, sondern wir sollen den Menschen dieser Welt das Licht bringen. Damit die Dunkelheit nicht die Oberhand bekommt oder behält. Und ich sehe in diesen Tagen und Wochen viele, die Licht bringen. Hier in unserer Gemeinde. Sie gehen in die Häuser von denen, die siebzig Jahre und älter sind. Bringen einen kleinen Gruß von der Kirchengemeinde und dort, wo es geht, schenken sie ein Stück vom Kostbarsten, das sie haben – von ihrer eigenen Zeit. Und von manchen höre ich, die mir sagen: „Die Karte, die ich bekommen habe von der Kirchengemeinde, die ist schön – aber dass mal jemand da war und’ne halbe Stunde mit mir geredet hat, das war noch viel schöner!" Das ist etwas von diesem Licht hinausbringen!  Oder was wir am Mittwoch hier in unserer Kirche erlebt haben bei der Senioren-Adventfeier: dass dafür Frauen Kuchen gebacken und Männer alles aufgebaut haben und dass andere gesungen und musiziert haben und dass durch das ganze an die 250 Menschen von diesem Licht, dass sie von Jesus etwas mitbekommen haben. Und ich weiß von so manchem, für den das ein echter Lichtblick ist!  Wenn regelmäßig Menschen ihr Haus und ihr Herz öffnen für „Kirche in der Nachbarschaft", wenn unsere Chöre singen; wenn unser Mitarbeiterteam sich im Kindergottesdienst um Kinder müht...  – hier müsste und könnte ich jetzt noch ganz viel aufzählen, wo genau das schon geschieht: dass hier bei uns das Licht weitergegeben wird, das von Jesus ausgeht!

Dass wir die gute Nachricht von Jesus Christus wie ein Licht ins Dunkle tragen, das ist keine unlösbare Aufgabe. Jeden Tag wird es getan und viele von euch, liebe Gemeinde, sind daran beteiligt! Und diese Welt hat es nötig, dass das Licht, dass Jesus sich ausbreiten kann. Er, das Licht der Welt, der den glimmenden Docht nicht auslöscht. Er ist das Licht, das das Dunkel hell macht. Und wenn wir standhaft bleiben und ihm nachfolgen, dann werden wir viel Licht bringen ins Dunkel dieser Zeit. Amen.

         



Der heutige Gottesdienst wurde von Dorothee Schwarz und Lothar Krist gestaltet. Eine schriftliche Version liegt uns nicht vor.

Zurück zum Seiteninhalt