Predigten Oktober - Ev.-luth. Christus-Gemeinde Spetzerfehn

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Predigten Oktober

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Predigt über 1. Korinther 12, 12-14.26.27; 22. Sonntag nach Trinitatis.; 28.10.2018

 
Liebe Gemeinde, bestimmt habt ihr schon mal Zahnschmerzen gehaben, so richtig schlimm!
In einem einzigen Zahn war plötzlich ein Loch und der Nerv lag blank und darum hat es weh- getan. Es wurde immer schlimmer und dieser höllische Schmerz zog durch den ganzen Kiefer und irgendwann merkte man ihn dann überall.  Daran musste ich denken, als ich den Predigttext las, den ich für heute ausgesucht habe.  Er steht 1 Kor 12 und der Apostel Paulus schreibt dort: „Der Körper des Menschen ist einer und besteht doch aus vielen Teilen. Aber all die vielen Teile gehören zusammen und bilden einen unteilbaren Organismus. So ist es auch mit Christus, mit der Gemeinde, die sein Leib ist. Denn wir alle, Juden wie Griechen, Menschen im Sklavenstand wie Freie, sind in der Taufe ... in den einen Leib, in Christus, eingegliedert und auch alle mit demselben Geist erfüllt worden. Ein Körper besteht nicht aus einem einzigen Teil, sondern aus vielen Teilen. ... ... Wenn ein Teil des Körpers leidet, leiden alle anderen mit. Und wenn ein Teil geehrt wird, freuen sich alle anderen mit. Ihr alle seid zusammen der Leib von Christus ...“  

 
Ich erinnere mich an einen Abend im Frauenkreis, an dem Dr. Limbeck einen Vortrag über das Herz gehalten hat. Es wurde deutlich: in unserem Körper ist alles perfekt aufeinander abgestimmt:  In diesem Moment, in dem ich zu euch spreche, muss mein Gehirn optimal mit Sauerstoff versorgt werden, damit ich klare Gedanken fassen kann und keinen Unsinn rede.  Irgendwelche Adern und Muskeln in meinen Beinen leisten gerade Schwerstarbeit, weil sie mich die ganze Zeit tragen müssen. Da würde normalerweise ja das Blut in die Beine sacken, das darf aber nicht passieren, weil dann ja das Blut in meinem Gehirn fehlen würde.  Gleichzeitig ist auch mein Magen am Arbeiten, um das Frühstück zu verdauen. Meine Bauchspeicheldrüse produziert gerade Insulin, damit mein Zuckerspiegel schön ausgewogen ist, meine Nieren verarbeiten gerade den Tee, den ich vorhin getrunken habe und meine Blase hält schön dicht, damit ich nicht während des Gottesdienstes mal kurz auf’s Töpchen muss. Alles muss perfekt aufeinander abgestimmt sein, damit ich hier jetzt hier stehen und die Predigt halten kann.

 
In einem Körper muss alles bis ins Kleinste aufeinander abgestimmt sein - und das wunderbare: es ist alles perfekt aufeinander abgestimmt! Unser Schöpfer hat wirklich ganze Arbeit geleistet, als er den Bauplan unseres Körpers kreiert hat!  Und nun schreibt Paulus: So ist es mit der christlichen Gemeinde auch! Sie ist wie ein Körper und alles passt perfekt zueinander.  Wenn ich das so lese, dann denke ich: was muss das für eine tolle Gemeinde sein, die er da vor Augen hat! Dass die einzelnen Menschen in dieser Gemeinde sich so perfekt ergänzen wie die Organe im Körper. Dass der eine gerade das tut, was der andere in diesem Moment nötig braucht.  Dass sich der eine freut, wenn der andere geehrt wird.  Und unwillkürlich muss ich an jemanden denken, der mich wütend anrief. Im Gemeindebrief hätte ich von dem und dem ein Foto abgedruckt und mich bei ihm für irgendwas bedankt – und er würde sich auch einsetzen und von ihm sei noch nie ein Bild im Gemeindebrief gewesen!  Von wegen: wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle Glieder mit...  Ach, Paulus, was hast du es gut mit deiner Mustergemeinde, in der sowas sicher nicht vorkommt.  

 
Denkste! Wer sich etwas intensiver mit der Gemeinde in Korinth auseinandersetzt, dem wird
schnell klar: das ist alles andere als eine Mustergemeinde! Ganz im Gegenteil: das ist ein zu-
sammengewürfelter Haufen und man hat viele Probleme miteinander. Da gibt es Menschen, die sich arrogant über andere stellen, weil sie meinen, ihr Glaube wäre besser und stärker.  Und da gibt es Klicken, die unter sich bleiben und mit den anderen am liebsten nichts zu tun haben wollen. Und es gibt welche, die haben viel Geld und andere haben tüchtig zu kratzen, dass sie einigermaßen über die Runden kommen.  Für den Apostel Paulus wäre es wahrscheinlich einfacher, einen Sack Flöhe zu hüten, als diese Gemeinde zusammen zu halten. Trotzdem probiert er es – weil er weiß: es wäre ein Jammer, wenn die Gemeinde auseinander fallen würde!   Ja, manchmal ist es schwierig, dass man gut miteinander auskommt. Aber: es wäre noch viel schwieriger, wenn man ohneeinander auskommen müsste, wenn man seinen Glauben alleine leben müsste.

 
Für Paulus ist es extrem wichtig, dass Christen in einer Gemeinde zusammen leben – und darum gibt er sich so viel Mühe, dass sie das einsehen und begreifen, was sie aneinander haben, auch wenn sie total unterschiedlich voneinander sind und einander auch nicht immer wohlgesonnen sind.  Wie macht Paulus das? Hält er ihnen vor, wie schlimm es bei ihnen ist und dass sie sich gefälligst zusammenreißen sollen, damit es mit der Einigkeit besser klappt?  Oder schreibt er eine Gemeindeordnung und wer sich da nicht dran hält, der fliegt raus?   Oder bestimmt er eine starke Persönlichkeit, die sich durchsetzen kann und stellt sie dann an die Spitze und sagt: das ist jetzt euer Gemeindeboss, und was der sagt, das müsst ihr tun?
Nichts von alledem! Paulus macht es ganz anders: er spricht die Korinther nicht auf das an,
wo sie im Clinch miteinander liegen. Sondern er spricht sie auf das an, was sie verbindet: Weil Christus ihr Herr ist, sind Christen eine Einheit. Ob sie das glauben oder nicht, ob sie das immer leben oder nicht: sie sind eins!  Durch Jesus gehören sie zusammen. Natürlich weiß Paulus: davon merkt man manchmal noch nicht soviel, dass wir eins sind, der eine Leib Christi. Aber sie sind auf dem Weg dahin! Und für Paulus sind drei Bereiche dieses Leibes Christi ganz wichtig: die Einheit des Leibes, und sein Blutkreislauf und sein Nervenkostüm.

 
Als erstes kommt er auf die Einheit des Leibes zu sprechen, er sagt: ‚Denn wir alle... sind in der Taufe durch denselben Geist in den einen Leib, in Christus, eingegliedert worden.‘ Paulus kommt darum auf die Taufe, weil er damit klar machen will, dass die christliche Gemeinde mehr ist als irgendeine Interessengemeinschaft oder ein Verein.  In die Gemeinde komme ich nicht, weil ich die anderen, die dazugehören, so nett finde oder weil ich mich für religiöse Themen interessiere.  Sondern in die Gemeinde seid ihr und ich gekommen, weil Gott nach uns gegriffen hat, weil er uns nicht mehr loslässt und weil wir von ihm nicht mehr loskommen.  Wer du auch bist und wie du dich auch fühlst, dies eine sollst du wissen: Gott hat sein Auge schon auf dich geworfen, als du davon noch überhaupt nichts geahnt hast!
Als damals das Taufwasser über dich gegossen wurde, da war das eine absolut deutliche Liebeserklärung, die Gott dir in diesem Moment gemacht hat.  Und danach ist es bei dir und bei mir ja weitergegangen. Ich weiß nicht, wie das bei euch gewesen ist, aber in meinem Leben hat Gott sich einiges einfallen lassen, dass er mich zu sich und in seine Gemeinde gezogen hat.   Dabei denke ich besonders an meine Eltern und an das, was ich zu Hause erlebt habe. Dass meine Eltern aus der Verbindung zu Jesus und seiner Gemeinde Kraft bekommen haben, auch die Krankheit meiner Mutter zu tragen. Und meine Oma hat auch ihren Anteil daran, dass ich zur Gemeinde gefunden habe – sie hat dafür immer gebetet. Und sicher auch mein Onkel. Er war der Leiter unseres Posaunenchores und er sagte irgendwann mal zu mir: „Du kunnst goet Zugposaun’ lehrn.“   Gott ist sehr kreativ darin gewesen, mich in seine Gemeinde zu bekommen. Und ich bin überzeugt: bei dir war er genau so kreativ!  Ich weiß nicht, wie, aber auf jeden Fall hat er dich in seine Gemeinde hineingezogen – sonst wärst du ja heute nicht hier. Egal wie: das, was damals mit unserer Taufe angefangen hat,
das ist irgendwie weitergegangen.

 
Paulus nennt das zweite Merkmal des Leibes Christi, das uns miteinander verbindet, obwohl
wir alle unterschiedlich sind. Es ist sozusagen der Blutkreislauf des Leibes: der Geist Gottes.  Das wissen wir alle: wenn die Durchblutung nicht stimmt, dann kann das böse Folgen haben – Herzinfarkt und Schlaganfall zum Beispiel. Das ist bei unserem Körper so und das ist auch bei der Gemeinde so. Im Mittelpunkt des Blutkreislaufes steht das Herz. Und an dieser Stelle kommt Paulus auf die sozialen Unterschiede in seiner Gemeinde zu sprechen. Auf die, die viel Geld haben und auf die, die mit wenig auskommen müssen. Und Paulus erinnert daran, dass sie “alle mit demselben Geist erfüllt worden“ sind. Er meint damit: der Heilige Geist ist das Herz, die entscheidende Pumpe im Leib Christi. Der Heilige Geist sorgt dafür, dass der Leib Christi immer weiter wächst. Dass immer wieder Menschen neu dazu kommen. Und dass dadurch die Gemeinde selbst vielfältig und bunt wird. Wo sonst können wir so vielen unterschiedlichen Menschen so intensiv begegnen wie in der Gemeinde?!  In unseren Gottesdiensten und anderen Veranstaltungen sitzt der Arzt neben seinem Patienten, der Unternehmer neben seinem Angestellten. Der Schüler neben seinem Lehrer.   Der, der viel Geld hat neben dem, der sich mit wenig begnügen muss.  Vor ’ner Weile saß hier jemand in der Kirche, der beim Landkreis arbeitet – der sitzt auf dem Blitzerwagen. Und der hatte mich in Großefehn geblitzt – und’n paar Tage später saßen wir hier miteinander in der Kirche. So ist das in der Kirche! Und dass wir hier so beieinander sind, um Gottesdienst zu feiern, das funktioniert nur darum, weil alle sozusagen am gleichen Kreislauf hängen. Mit demselben Blut durchströmt werden. Und das ist das Blut von Jesus! Sein Blut, das für uns geflossen ist, das überwindet alle Unterschiede, die sonst zwischen uns bestehen, und Er selbst ist die Pumpe, er selbst ist das Herz, das dafür sorgt, dass seine Gemeinde, dass dieser Körper einen guten Kreislauf hat.  

 
Aber genau da kommt jetzt auch das 3. Merkmal des Leibes Christi in den Blick: das Nervenkostüm des Leibes – die Liebe. Gerade habe ich von dem gesprochen, was uns in der Gemeinde verbindet – egal, wer wir sind und wie unterschiedlich es in unserem Leben aussieht. Aber nun könnte ja jemand sagen: das ist alles gut und schön – ich sehe wohl den wohlhabenden Unternehmer und den, der wenig Geld hat, bei euch in der Kirche sitzen. Dass sie beide dieselbe Predigt hören und dieselben Lieder singen. Aber: nach dem
Gottesdienst setzt sich der eine in seinen Daimler und fährt in ein schönes Restaurant zum Mittagessen und der andere setzt sich auf sein rostiges Fahrrad und weiß nicht, wie er das Geld für die Strom- und Gasnachzahlung zusammenbekommen soll. Der eine kehrt zurück und genießt mit seiner Familie den Sonntagsbraten – und der andere kehrt zurück und ist in seinem Haus allein.  In der Kirche mögen wohl alle ohne Unterschied beieinander sein, aber dann ist es aus mit der Gleichheit!  Und wenn jemand das so sagen würde, dann hätte er ja recht damit. Und Paulus hat genau diesen Einwand im Blick. Darum spricht er nun davon, dass, wenn ein Glied leidet, dass dann alle mitleiden. Und jetzt bin ich wieder bei den Zahnschmerzen.  Es tut nicht nur der eine Zahn weh – der ganze Körper wird dadurch in Mitleidenschaft gezogen.  Und dass das so ist, dafür sorgen die Nerven. Sie leiten den Schmerz weiter und sie sorgen letztlich dafür, dass die Ursache behoben wird. Weil man es irgendwann vor Schmerz nicht mehr aushält, geht man zum Zahnarzt.  Unsere Nerven leiten den Schmerz weiter, damit wir gegen die Ursache etwas tun.   Und wenn die Nerven im Leib Christi funktionieren, dann wird der wohlhabende Unternehmer zwar vielleicht immer noch mit seinem Daimler in ein gutes Restaurant fahren - und es sei ihm auch gegönnt und es ist
auch nicht unchristlich. Aber die, der wenig Geld haben, werden ihm in seiner Gemeinde nicht mehr egal sein. Er wird überlegen, wie er helfen kann – vielleicht nicht allen, aber doch so, dass er einem hilft. Vor einer Konfirmandenfreizeit sprach mich jemand an, der sich finanziell gut helfen kann und sagte: wenn da jemand bei ist, der die Kosten für die Konfirmandenfreizeit und die Bibel nicht bezahlen kann, sag mir das, ich bezahl das dann.  Oder da ist eine Frau, die geht Sonntags zu einer anderen Frau, damit die dann nicht so alleine ist. Und jemand hat mir erzählt: als ich ganz schlecht drauf war, weil mein Mann gestorben war, da ist an einem Tag jemand, dem das in der Kirche aufgefallen war, auf mich zugekommen und hat gesagt: So, jetzt brezel dich mal’n bisschen auf und dann gehen wir beide eem schön zu Behrends frühstücken!  Von solchen Beispielen könnte ich noch mehr aus unserer Gemeinde erzählen. Davon, dass jemand mit-leidet, wenn es einem anderen nicht gut geht. Kleine Beispiele, sicher – aber für die, die es betrifft, mit einer unwahrscheinlich wohltuenden Wirkung.   Sicher – wir könnten da noch besser werden, da ist immer noch Luft nach oben!  Aber: wir brauchen uns auch nicht zu verstecken!   Und keiner muss alles tun. Paulus sagt nicht: Du bist der Leib Christi – sondern: Ihr alle seid zusammen der Leib von Christus! Und gemeinsam sind wir auf einem guten Weg. Und ich glaube: manche von denen, die heute hier sind, werden sich heute noch wundern, dass  und wie sich jemand anders um sie bemüht.  Und mancher wird sich auch darüber wundern, wenn er jetzt auf den Gedanken kommt: diejenige, derjenige könnte heute wohl ein gutes Wort gebrauchen. Und dann wundere dich nicht nur, sondern sprich es, dieses gute Wort. Damit hilfst du dem Leib Christi, dass er wächst und gedeiht. Amen.
 

 
1. Timotheus 4, 4-5; Erntedankfest; 07.10.2018

 
Liebe Gemeinde, was war das immer schön, als wir die Geburtstage von Bernd, Imke und Frauke gefeiert haben! Ulrike hat mit der ganzen Rasselbande Topfschlagen und andere Sachen gespielt und es gab lecker Torte und Waffeln und Smarties. Und zum krönenden Abschluss haben wir entweder ein Hamburger-Wettessen veranstaltet oder es gab leckere Häppchen. Das war immer richtig schön! Aber die Eltern, die heute zum Kindergeburtstag einladen, die haben es nicht  leicht!  Nicht nur, dass sie überlegen: ‚Was machen wir? Gehen wir ins Kino mit den Gästen oder ins Schwimmbad  oder machen wir zu Hause was
Schönes?‘  Sie müssen auch überlegen:  ‚Was können wir mit den Kindern essen? Eine Torte mit Sahne und Schokobons zur Verzierung – geht nicht: viel zu viel Zucker!  Oder muss sich eines der Kinder glutenfrei ernähren? Oder verträgt es keine Nüsse? Soll man nicht lieber vorher bei allen Müttern und Vätern anrufen und fragen, was ihr Kind essen darf und was nicht? Und dann gibt es außer den gesundheitlichen Gründen auch noch ethische. Die Weltfirma mit dem süßen Getränk soll in manchen Gegenden den Bauern das Wasser abgraben, so dass ihre Felder vertrocknen – also Cola geht gar nicht!  Und wie steht es mit den ganzen Plastikverpackungen im Restaurant zum ‚goldenen M‘?  Also, ehrlich geseggt: Ulrike un ick sünnt blied, dat wie dormit döör sünnt!

 
Gegen falsche Enthaltsamkeit“ steht in der Lutherbibel als Überschrift über dem Abschnitt, aus dem das Predigtwort für heute stammt.  ‚Gegen falsche Enthaltsamkeit‘ – natürlich ist
das keine Patentlösung für das Problem, das die Essensfrage inzwischen ist. Und es ist auch kein Freibrief, sich darüber hinwegzusetzen, dass immer mehr Menschen unter Allergien und Unverträglichkeiten leiden. Dann einfach nur zu sagen ‚Gegen falsche Enthaltsamkeit‘, das wäre verantwortungslos und lieblos!  Und natürlich ist zu viel Zucker ungesund – gar keine Frage! Da kann man nicht einfach locker-flockig sagen: ‚Gegen falsche Enthaltsamkeit‘!  Aber trotzdem lohnt es sich, dass wir uns das, was dazu für heute in der Bibel steht, einmal im Zusammenhang ansehen und darüber nachdenken: Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, für das wir Gott danken, denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet.

 
Nochmal: Das heißt nicht: es ist egal, was wir essen und wir brauchen nicht auf gesunde Ernährung achten. Hier geht es nicht um Zucker und Torte und Fleisch an sich – hier geht es
um den Geist, um die Einstellung, um die Haltung. Als der Apostel Paulus das damals geschrieben hat, da gab es mit dem Thema ‚Essen‘ auch Probleme – aber nicht wegen Allergien oder so. Dass das Essen zum Problem wurde, lag daran, dass einige Mitglieder der Gemeinde im jüdischen Glauben groß geworden sind, bevor sie Christen wurden.  Von Kind an haben sie gelernt: einige Speisen darf man nicht essen, sie sind ‚unrein‘   und wer mit ihnen in Berührung kommt, versündigt sich.  Andere in der Gemeinde damals sahen das anders: ‚Warum soll es vor Gott wichtig sein, ob ich ein saftiges Rindersteak esse oder lieber Grünkohl mit Pinkel?‘ Und in diesen Streit hinein schreibt Paulus dem Timotheus: ‚...alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, für das wir Gott danken; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet.“   Also: wenn wir Gott dafür danken, dann stellen wir auch unsere Nahrung, das Essen hinein in die Beziehung zu ihm,  und damit wird es rein und unproblematisch. Man kann sich ohne Skrupel daran freuen und es ohne schlechtes Gewissen genießen. Denn es ist Gottes Geschenk für uns.

 
Probleme, die das Essen macht. Damals, weil einige Speisen als unrein galten – und heute
oft, weil wir bei manchen Sachen Bedenken haben, weil die Umwelt dadurch belastet wird
oder weil wir unserem Körper nichts Gutes damit tun.   Damals ließ man bestimmte Speisen
weg, um sich vor Gott nicht zu verunreinigen. Ob es sein kann, dass wir heute so ein Gedöns ums Essen machen, damit wir uns besser fühlen? Dass wir nicht so gedankenlos konsumieren wie die anderen, dass wir nicht das billigste Fleisch oder die billigste Milch kaufen, sondern gerne ‘n bisschen mehr zahlen, damit der Bauer einen gerechteren Preis erzielt und damit die Tiere würdiger gehalten werden. Damals lag das Problem darin, dass Menschen dachten: Wenn ich verzichte – dann belohnt Gott mich! Dann bin ich OK vor ihm!  
Kann es sein, dass wir heute denken: wenn wir uns nachhaltiger ernähren und bewusster kaufen, dann sind wir anständiger, vielleicht auch bei Gott angesehener!? Und dass man dann auf bestimmte Dinge verzichtet – ist das dann auch ‚falsche Enthaltsamkeit‘?  

 
Hier muss man zwei Dinge auseinanderhalten: auf der einen Seite steht es gerade uns Christen wohl an, dass wir bewusst mit der Schöpfung umgehen! Dass wir die Erde nicht noch mehr ausbeuten! Dass wir unsere Stimme dagegen erheben, dass immer noch männliche Küken einfach geschreddert werden und Mastschweine so eng gehalten werden, dass sie sich gegenseitig anfressen. Dass die Ozeane leergefischt werden. Dass die Luft
noch immer mehr verpestet wird und die Polkappen abschmelzen. Und das sind ja nur ein paar Beispiele. Und gerade aus der Verantwortung heraus, die Gott uns gegeben hat, dürfen wir darüber nicht hinwegsehen!   Luther würde sagen: wenn wir achtsam sind beim Konsum, dann sind das gute Werke!  Gute Werke, die dazu dienen, diese Erde nachhaltig zu bebauen und sie für kommende Generationen zu bewahren! Aber Luther würde auch sagen: auch diese guten Werke machen keinen besseren Menschen aus uns! Sie erheben uns nicht über andere! Und wenn wir noch so ökologisch handeln und bewusst kaufen und uns gesund ernähren: vor Gott macht uns das kein bisschen besser und wir dürfen uns deshalb auch nicht über andere erheben! Paulus sagt im Römerbrief: Wir sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhms, den wir bei Gott haben sollten. (Röm 3,23)  

 
Egal, aus welchem Grund das Essen zum Problem wird – ich glaube, dass da eine ganz tiefe
Angst dahintersteckt.  Manche kennen sicher das Lied „Haus am See“ von Peter Fox. Und an einer Stelle singt er: „Gott hat einen harten linken Haken“. ‚Gott hat einen harten linken Haken!‘ – ein Vergleich aus dem Boxen.  Und kann es sein, dass diese Angst ganz tief in uns drinsteckt?  Dass Gott zuschlägt, wenn unsere Träume in den Himmel wachsen und wenn das Glück zu viel wird?   Wir erleben das ja, wenn auch nicht so krass wie Hiob im Alten Testament, der glücklich war, angesehen und beliebt, reich und gesund; und der alles verlor, wirklich alles. Viele in unserer Gemeinde haben es erlebt: wenn es am schönsten ist, wenn alles blüht und gedeiht, dann kommt irgendwas und macht alles kaputt. Und unwillkürlich ist dann oft der Gedanke da, dass wir uns fragen: Ist das Gott, der damit verhindert, dass die Bäume in den Himmel wachsen? Und wenn Gott so ist – dann ist es doch besser, dass wir ihn nicht herausfordern, sondern dass wir uns am Riemen reißen und von vornherein kleine Brötchen backen. Und ich glaube, dass darum so mancher sich nicht wirklich in der Tiefe freuen kann, wenn er gerade was Schönes erlebt.  Gleichzeitig ist da immer die Angst, dass das wohl irgendwie zu schön sein könnte und dass Gott mit seinem harten linken Haken zuschlägt und es uns wieder nimmt.   
  
Wir mögen manchmal so empfinden – aber Paulus kämpft mit äußerster Härte gegen eine
solche Einstellung an! Und mit den Leuten, die sie vertreten, ist er nicht zimperlich und er
nennt sie Heuchler und Lügner.  Er wird darum so heftig, weil es ihm um Gott geht;  so wie
er ihn erkannt und erlebt hat, seitdem Jesus Christus ihm begegnet ist.  Er stellt der Angst zwei Gegenmittel entgegen.  Das eine ist der Dank: Nichts ist verwerflich, für das wir Gott danken!  Darum feiern wir Erntedankfest. Wir sagen Gott  Dank. Nicht nur für die Früchte auf dem Feld und im Garten, nicht nur für die Nahrungsmittel im engeren Sinne, sondern für alles, was wir zum Leben haben und brauchen. Und wenn wir ein bisschen mitdenken, dann werden wir uns bei manchem fragen: Kann ich Gott dafür danken? Kann ich ihm für Lebensmittel danken, die auf Kosten des Tierwohls produziert wurden?  Oder ist das eher ein Schlag ins Gesicht des Schöpfers? Kann ich ihm danken für die billigen Deko-Artikel, die ich für Weihnachten kaufe und ich ahne, dass die Verkäuferin in dem Schnäppchenmarkt mal gerade 3, vielleicht 4 Euro in der Stunde hat? Kann ich dafür danken?  Also das mit dem Danken, das kann so gesehen dann auch ziemlich anstrengend werden – wenn wir nämlich nicht gedanken-los danken, sondern mit Überlegung. Und wir können ja nicht die Augen davor zumachen, dass wir in einer Zeit leben, in der oft nur noch das zählt, was wirtschaftlich verwertbar ist. Das männliche Küken bringt nicht so viel ein wie ein weibliches – darum kommt es in den Schredder.  Die kleine Aufmerksamkeit, die Oma zum Geburtstag gebastelt hat, verschwindet in der Ecke – aber beim 50-Euro-Schein glänzen die Augen des Enkels.   Es müssen im Nebenjob bis in den Abend hinein noch so viele Sachen gemacht werden – da kann man nicht den ganzen Abend mit der Familie in der Stube hocken und die Zeit mit Spielen verplempern.   Weil es oft so läuft, ist es wichtig, dass wir Erntedankfest feiern – und uns dabei bewusst machen,  was  unseren Dank  nicht verdient – aber dass wir uns auch vor Augen halten, was für tolle Dinge uns umgeben, die wir oft gar nicht so richtig beachten: eine wunderschöne Musik, die uns morgens im Radiowecker wach macht; der phantastische Duft der Blumen, die auf dem Tisch stehen; das perfekt konstruierte Spinnennetz draußen an der Tür, das helle Lachen unserer Kinder oder Enkel.  

 
Nichts ist verwerflich, für das wir Gott danken!“  Das, wofür wir Gott von Herzen danken können, das sind gute Dinge! An denen sollen wir uns freuen und die dürfen wir in Anspruch nehmen.  Und ich bin sicher: jeder von uns hat -zig Gründe dafür, Gott zu danken! Wir wollen heute nicht von hier weggehen, ohne diesen Dank gesagt zu haben. Darum singen wir heute auch die Danklieder. Obwohl es vieles gibt, wofür wir nicht mit gutem Gewissen danken können und obwohl Menschen unter uns sind, deren erstes Gefühl jetzt sicher nicht der Dank ist. Weil sie mit schlimmen Dingen zurechtkommen müssen.  Es gibt so manchen unter uns, der mindestens mit einem gemischten Gefühl   hier ist – weil er den Dank nicht ungebrochen empfinden kann. Weil sich andere, belastende Dinge wie ein dunkler Schatten darüber legen.  Trotzdem oder gerade darum wollen wir heute den Schwerpunkt bewusst auf den Dank legen.  Nicht, weil wir das andere ausblenden wollen. Sondern weil der Dank dazu hilft, dass wir trotz der belastenden Dinge nicht untergehen in dem, was uns nach unten ziehen will.  Dieser Erntedankgottesdienst will uns dazu helfen, dass wir auch das wieder in den Blick kriegen, was unser Leben kostbar und wertvoll macht. Und dass es vielleicht sogar da, wo es dunkel ist, Lichtblicke gibt.  Mir erzählte eine Frau, dass ihre Tochter gleich am Anfang vom neuen Schuljahr massive Schwierigkeiten mit ‚Mathe‘ hatte und deshalb schon gar nicht mehr zur Schule mochte. Und dann sagte sie: „Was bin ich dankbar, dass ich jetzt ein junges Mädchen gefunden habe, das ihr Nachhilfe gibt.“  Versteht ihr, liebe Gemeinde: das ist kein  erzwungener Dank. Sondern hier spürt jemand mitten in einer belastenden Situation, dass es trotz allem noch etwas gibt, was gut tut und weiterhilft.  Und dafür ist er dankbar. Und vielleicht ist dieser Dank ansteckend auf andere, die das noch nicht so sehen können. Und
darum wollen wir heute unseren Dank zum Hauptthema machen, obwohl wir wissen, dass es auch die andere Seite im Leben gibt.  Und darum kann Paulus auch schreiben: ‚Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, für das wir Gott danken!‘   
Am Erntedankfest – und hoffentlich nicht nur heute – sagen wir Gott Dank als unserem Gönner: ER gönnt uns die Fülle des Lebens!  Und wir brauchen keine Angst zu haben, dass er uns seine Gunst entzieht, wenn es uns zu gut geht!  Und damit bin ich beim zweiten Punkt, warum wir uns nicht von der Angst bestimmen lassen sollen, dass Gott mit seiner ‚harten Linken‘ nur darauf wartet, dass er uns einen reinwürgen kann, wenn es uns zu gut geht:  ER freut sich mit uns, wenn es uns gut geht! Und ER selber gibt so unendlich viel dazu – immer und immer wieder! Obwohl wir Menschen uns so viel Mühe geben, diese Erde kaputt zu machen, geht noch immer die Sonne zuverlässig auf und unter und bringt so viel hervor, dass alle satt werden könnten! Auch nach 4 Monaten ohne Regen braucht keiner von uns hungern – sogar Grünkohl gibt es reichlich, stand Freitag in der Zeitung, wat dann vör Not!  Egal, ob Menschen nach Gott fragen oder ob sie ihn einen guten Mann sein lassen: es gibt auf dieser Welt mehr Güter, als nötig wären, damit alle satt werden! Und dass nicht alle satt werden, sondern dass immer noch  Millionen von Menschen an Hunger sterben – das können wir nicht Gott in die Schuhe schieben! Da versagen wir selber – gerade wir in den Nationen, in denen die Banken wie Kathedralen aussehen, und in denen der Profit der eigentliche Gott ist!  Gott leidet darunter – aber er lässt nicht von uns ab!  Bis in diesen Gottesdienst hinein geht er seinen Menschen nach und zeigt ihnen, was er alles auf die Beine stellt, damit sie dankbar und mit Respekt das genießen, was Er ihnen gibt!  

 
Heute hören wir es von neuem: was von Gott geschaffen ist, das ist gut! Aber wenn wir vergessen, dass die Welt  Gottes Geschenk an uns ist, dann fangen die Probleme an. Und weil in unserer Gesellschaft oft die Welt nicht mehr als Gottes Geschenk an uns gesehen wird, haben wir auch so viele Probleme mit den Lebensmitteln.  Das hängt zusammen: wer Gott verloren hat, der verliert über kurz und lang den Respekt vor Tieren und Pflanzen als seinen Mitgeschöpfen und behandelt sie als leblose Güter, mit denen er tun und lassen
kann, was er will.  Gott hat sich das anders gedacht! Und der christliche Glaube sagt voller Respekt: Lecker! Gut! Geschenk! Danke! Und das ist ein grundsätzliches Merkmal unseres Glaubens: dass wir Christen die Welt, in der wir leben, bejahen!  Dass wir zuversichtlich aufs Leben zugehen und darauf vertrauen, dass Gott uns keine Fallen stellt. Und dass Er seine Freude daran hat, wenn wir auch unser Essen genießen.  Als etwas, das uns zu einem guten Leben hilft. Und dass wird es darum schätzen und wertachten. Mögen wir heute innehalten und sagen: „Genau, Gott, es ist von dir, es ist ein Zeichen deiner Liebe; danke, wir haben verstanden, und jetzt guten Appetit!“ Amen.
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