Predigten September - Ev.-luth. Christus-Gemeinde Spetzerfehn

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Predigten September

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Predigt vom 17.09.2017
    
Predigt über 1 Johannes 4, 16b-21 i A; 13. Sonntag nach Trinitatis; 10.09.2017

 
Liebe Gemeinde, in diesem Jahr hatte ich bis jetzt 9 Trauungen – und für’s nächste Jahr hab‘ ich schon 6 angenommen und da kommen bestimmt noch’n paar dazu. Vor einer Trauung treffe ich mich ’n paar Wochen vorher mit dem Brautpaar und dann können wir in aller Ruhe besprechen, was anliegt. Und oft erlebe ich, dass die Brautleute sich vorher schon Gedanken darüber machen, was sie für einen Trauspruch haben wollen. Welcher Satz aus der Bibel das Motto für ihre kirchliche Trauung sein soll – und wenn’s gut läuft, auch das Motto für ihre Ehe. Ich freu mich da drüber, dass die meisten schon mal im Internet gesucht und einen Bibelvers gefunden haben, von dem sie sagen: ‚Der passt zu uns, den wollen wir haben!‘  Oft sind das Bibelverse, in denen die Liebe ausdrücklich vorkommt. Zum Beispiel: ‚Alles, was ihr tut, lasst in Liebe geschehen.‘  Oder auch sehr beliebt: ‚So bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei. Die Liebe aber ist die größte unter ihnen.‘  Und der Vers, der für diesen Sonntag zu den vorgeschlagenen Predigttexten gehört, wird auch oft gewählt:  ‚Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.‘

 
In den Traugesprächen merke ich: da ist ganz stark der Wunsch da, dass die Liebe ein Leben lang halten soll. Und davon gehen die Brautpaare auch aus – obwohl sie natürlich auch wissen, wie viele Ehen scheitern. Liebe wünschen sie sich für ihr Leben – weil sie alle er-lebt haben, dass niemand ohne Liebe groß werden kann, und dass Liebe einen Menschen frei und furchtlos werden lässt  und ihn zum Strahlen bringt.     
Nun gibt es Skeptiker, die sagen: ‚Ach, bei der Hochzeit ist das normal. Da ist eben alles romantisch und da spielt nun mal die Liebe die Hauptsache. Aber lass die mal zehn Jahre verheiratet sein, dann wissen die auch, wie’s wirklich ist.’  Wenn ich das höre, dann denke ich immer:  was hat derjenige, der das so sagt, wohl für komische Erfahrungen gemacht?!    Aber auf der anderen Seite:  wer schon etwas mehr Lebens- und Liebes-Erfahrung hat, der weiß, dass man nicht immer himmelhochjauchzende Gefühle haben kann.
Aber deshalb muss die Liebe ja nicht weniger intensiv sein! Sie äußert sich nur anders.
Ich staune oft, wenn ich mit Eheleuten rede, die schon viele Jahre auf dem Ehe-Tacho haben. Viele haben die Erfahrung gemacht, dass ihre Liebe größer wurde mit der Zeit. Das Vertrauen zueinander, und dass man weiß, dass man sich aufeinander verlassen kann. Und
auch die Selbstverständlichkeit, mit der man füreinander da ist und miteinander lebt. Das
haben oft altgediente Ehepaare den frisch Verheirateten voraus – und das ist auch ganz nor-
mal so.   Bei ‚alten‘ Ehepaaren nehme ich oft eine Veränderung wahr: von der ‚Schmetterlingsliebe‘ hin zur ‚Schwielenliebe‘.  

 
Schmetterlingsliebe‘ – das nehm‘ ich jetzt mal für die Liebe, die vor allem vom Gefühl bestimmt ist. Und es ist wunderbar, wenn man Schmetterlinge nicht nur im Bauch, sondern auch im Herzen hat – und etliche davon werden hoffentlich auch bleiben, auch wenn der große Schwarm vielleicht verflogen ist.  ‚Schwielenliebe‘.   Schwielen sind ja ein Zeichen dafür, dass man sich angestrengt hat. Wer lange im Garten gegraben hat, der kriegt Schwielen an den Händen. Und im übertragenen Sinne gibt es auch Schwielen an der Seele
dass man spürt: es war anstrengend! Nun lesen wir im Predigttext:  ‚Wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.‘  Da fragt man sich ja: wie geht das - in der Liebe bleiben? Wie geht das dann, wenn die Schmetterlinge grad nicht mehr da sind, und wenn’s langsam aber sicher auf die ‚Schwielenliebe‘ zugeht.

 
Eine Beobachtung dazu: mit ‚Liebe‘ ist in der Bibel kein Gefühl gemeint, schon gar nicht ein Gefühl ‚auf Kommando‘.  Wenn die Bibel im Predigtabschnitt von ‚Liebe‘ spricht, dann meint sie eher das, was die altgedienten Ehepaare schätzen: sich um den Anderen kümmern, für seinen Lebensunterhalt aufkommen, ihm etwas zu essen kochen; einander zuhören; merken, wenn dem anderen etwas fehlt, ihn pflegen, wenn er krank ist und es mit ihm auszuhalten. Und dann, so wie viele unter uns es ja auch tun, am Ende sein Grab zu pflegen. Diese Art von Liebe ist in unserem Predigttext gemeint. Liebe, die dranbleibt. Auch, wenn’s nicht mehr romantisch ist, sondern wenn’s schwierig wird und wenn man sich die Hände schmutzig machen muss für den andern. Liebe heißt im Neuen Testament immer, etwas für den Anderen zu tun, ‚Schwielenliebe‘ eben. Und hier ist jetzt nicht nur der Ehepartner gemeint, sondern mit angesprochen ist auch das, was uns z.B. mit unseren Freunden verbindet oder mit unseren Nachbarn; mit denen, mit denen wir in der Gemeinde zu tun haben oder auf der Arbeit. Anders gesagt: die Liebe, die heute im Predigttext gemeint ist, bedeutet, die Nöte anderer Menschen zu sehen. Und ich will es einmal so sagen, liebe Gemeinde: viele von Euch leben diese Liebe ganz vorbildlich! Manche pflegen ihre kranken Angehörigen. Andere kümmern sich um ihre Nachbarn. Wieder andere setzen sich ganz enorm für ihre
Enkelkinder ein. Oder unterstützen ihre Kinder.  Vor kurzem sprach ich mit jemanden, der einen künstlichen Darmausgang bekommen hat und selber nicht so gut damit zurecht kommt. Und diejenige erzählte mir, dass ihre Nachbarin das nun gelernt hat, wie das geht und zwei-, dreimal am Tag kuckt und hilft.   Ich weiß von jemandem, der einen besonderen Anlass hatte und viel Besuch erwartete und selber seine Stube nicht mehr so gut aufräumen konnte. Da ist jemand aus der Nachbar-schaft gekommen und hat Hausputz gemacht.  Oder eine Frau rief mich an und sagte: die und die ist aus dem Krankenhaus gekommen und braucht jetzt jemanden, der sie regelmäßig besucht. Könnt ihr da von der Kirche aus für sorgen?  Klasse, dass da jemand mitdenkt und was tut!   Andere unter uns machen in Großefehn bei der Tafel mit. Das ist eine wunderbare Sache, wenn wir mit dieser Art von Liebe Erfahrungen machen.   In unserer Gesellschaft ist es an vielen Stellen kalt geworden. Aber wenn ich in unsere Gemeinde schaue, dann seh‘ ich auch viele kleine Feuer, die Menschen anzünden, und rund um diese Feuer wird es warm. ‚Wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.‘  Diese Liebe ist heute zuerst gemeint – Liebe, die von Gott ausgeht und die weitergereicht wird. Und an mancher Stelle wird es dadurch spürbar wärmer. Gott sei Dank! Durch diese kleinen Feuer, die wir mit unserer Liebe anzünden, dadurch sollen Menschen das Feuer spüren, das Gott für sie hat. Wenn wir uns um jemanden kümmern, dann ist es letztlich Gott, dessen Liebe wir damit weitergeben.
Aber umgekehrt wird auch ein Schuh draus: wenn wir in der Liebe bleiben, dann beeinflusst das auch unsere Beziehung zu Gott und unsere eigene Seelenhygiene. Wenn wir selbst in einer Atmosphäre der Liebe leben – dann können wir auch Gottes Liebe zu uns leichter zulassen. Dann begreifen wir eher und besser, dass Gott Liebe ist und uns in Liebe begegnet. Die Bibel wird ja nicht müde, uns Gott als den vor Augen zu malen, der sich uns in Liebe zuwendet. Der für uns da ist. Der tröstet, Mut  macht, Kraft gibt.  Und das ist die andere Seite, die im Predigtabschnitt heute angesprochen wird: dass wir nicht nur Gottes Liebe weitergeben sollen, sondern dass wir uns ihr auch selber aussetzen!  Wer in der Atmosphäre von Gottes Liebe bleibt, der wird nach und nach erfahren, dass Gott ihn liebt und dass er das ganz unterschiedlich zeigt. Das ist gemeint, wenn es im Predigttext dann weiter heißt:  ‚Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus; denn die Furcht rechnet mit Strafe. Wer sich aber fürchtet, der ist nicht vollkommen in der Liebe.‘  Damit soll uns geholfen werden, dass wir es Gott zutrauen oder wieder zutrauen, dass Seine Liebe zu uns an erster Stelle steht! Dass er nicht in erster Linie fordert und dass wir uns nicht erstmal bewähren müssen. Bei Gott müssen wir es uns nicht erst verdienen, dass wir geliebt werden!

 
Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus.‘
Der, der das damals geschrieben hat, der hat eine wichtige Beobachtung gemacht: das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass. Das Gegenteil von Liebe ist Furcht.  Furcht hindert uns daran, uns geliebt zu fühlen. ‚Das bin ich doch nicht wert!‘,  denkt sich einer. Und das ist schlimm, schade, wenn du so schlecht von dir selbst denkst. Das tut weh und das schneidet vom Leben ab. Aber Jesus ist dafür in die Welt gekommen und er ist dafür gestorben, damit du es begreifst: Ich bin es wert! Ich bin wer!   Ein anderer will nicht enttäuscht werden, deshalb lässt er die Liebe gar nicht erst zu. Das ist paradox, aber es ist häufig so: da sehnt sich jemand ganz stark nach Liebe – aber weil er Angst hat, dass er wieder enttäuscht wird, lässt er nicht zu, dass Liebe wachsen kann. Aber Jesus ist dafür in die Welt gekommen und er ist dafür gestorben, damit du wieder anfängst, Vertrauen zu fassen und Liebe zuzulassen. Oder: ‚Man bekommt im Leben nichts umsonst – jeder will eine Gegenleistung.‘  Aber bei Gott ist das eben genau nicht so: Er hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab. Damit wir die Furcht verlieren, das Misstrauen, den Kleinglauben.

 
Gott ist Liebe und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.‘ Gott wird in ihm Raum gewinnen und er wird nach und nach die Furcht vertreiben. Das ist wie ein Stück vom Himmel! Es macht unsere Seele weit – so dass du frei und offen mit Gott umgehen und ihm vertrauen kannst. Und wer das begriffen hat, und wer sich daran freuen kann, der gibt dann wie von selbst diese Liebe an andere weiter. Amen.
 

    
Apostelgeschichte 9, 1-20; 12. Sonntag nach Trinitatis; 03.09.2017

 
Liebe Gemeinde, Fanatiker bringen Elend über die Welt. Sie zerstören Leben, richten Menschen zugrunde und stiften Unheil.  Fanatiker – das sind Menschen, die besessen sind davon, dass nur ihre Lebens- und Glaubenseinstellung richtig ist. Alles andere lassen sie nicht gelten. Und Menschen, die es anders sehen, werden als ungläubig verschrieen und im schlimmsten Fall beseitigt.  Fanatiker zerstören Leben, richten Menschen zugrunde und stiften Unheil. Der Predigttext für heute berichtet von einem solchen Fanatiker. Ich lese aus der Apg 9 zunächst die Verse 1+2: Saulus verfolgte ... mit grenzenlosem Hass alle, die an den Herrn glaubten, und drohte ihnen an, sie hinrichten zu lassen. Er ging zum Hohepriester und ließ sich von ihm Briefe für die jüdischen Gemeinden in Damaskus mitgeben. Sie ermächtigten ihn, auch in diesem Gebiet die Gläubigen aufzuspüren und sie ... als Gefangene nach Jerusalem zu bringen.“

 
Saulus, so heißt dieser Fanatiker. Geboren wurde er in Tarsus, einer Stadt in der heutigen Türkei. Seine Familie gehörte zu den führenden Familien und ermöglichte ihm eine erstklassige Ausbildung. Später schloss er sich der Gruppe der Pharisäer an; er genoss höchstes Ansehen und hatte viel zu sagen im gesellschaftlichen und religiösen Leben. Sein Glaube war ihm extrem wichtig. Und darum hasste er die neue Sekte der Christen aus ganzem Herzen.  „Christen“ – das waren die, die vom rechten Glauben an den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs abgefallen waren und diesem Jesus nacheiferten und die mit ihrem neuen Glauben das verlassen hatten, was sie von Kind auf gelernt hatten.  Saulus sah es als seinen göttlichen Auftrag an, den Christen diesen neuen Glauben auszutreiben. Und darum setzte er alles daran, sie gefangen zu nehmen und, wenn es nicht anders ging, töten zu lassen. Dazu lässt er sich nun wieder einen neuen Auftrag geben und macht sich auf den Weg, um Christen zu fangen.  Und dann passiert etwas, womit er nie und nimmer gerechnet hat:  „Kurz vor Damaskus umgab Saulus plötzlich ein blendendes Licht vom Himmel. Er stürzte zu Boden und hörte eine Stimme: "Saul, Saul, warum verfolgst du mich?"   

 
Da ist Saulus unterwegs, um Christen zu verfolgen – und dann, aus heiterem Himmel, tritt ihm Christus selbst in den Weg!   Das ist eine im wahrsten Sinne des Wortes umwerfende Erfahrung. In einem unbeschreiblichen Lichtglanz erscheint Jesus Christus seinem Verfolger Saulus und der kann sich nicht mehr auf den Beinen halten und bricht zusammen. Alles, was ihm bisher Sicherheit gegeben hat, wird ihm in diesem Augenblick unter den Füßen weggezogen. Er kann sich gar nicht dagegen wehren, was mit ihm passiert. Er kann es nicht einordnen, und ohne darüber nachzudenken, sagt er: "Wer bist du, Herr?"  In der deutschen Sprache merkt man das gar nicht so deutlich, was er da eigentlich sagt. Auf einmal spricht Saulus den, den er bisher verfolgt hat, als „Herr“ an. Genau steht da: „Kyrios!“  Mit diesem Wort reden Christen ihren Herrn an. Und dieses Wort kommt dem Saulus jetzt über die Lippen. „Herr, wer bist du?!“ Auf einem Schlag wird aus dem Christus-Hasser der Christus-Jünger!

 
Dass Saulus das klar wird, das hat Gott selbst bewirkt. Bei Saulus war das so – und so ist
das immer! Dass Menschen Jesus Christus als ihren Herrn erkennen, das liegt immer daran, dass Er selbst sich ihnen zu erkennen gibt. Wie er das macht, ist ganz unterschiedlich. Hier war es Knall auf Fall. Eine spontane Kehrtwende um 180 Grad. Ich kenne Menschen, denen es ähnlich gegangen ist. In einem bestimmten Moment ist ihnen klar geworden: Jesus will es mit mir zu tun haben! Und sie können es auf den Tag und auf die Stunde genau sagen,
wann das war und unter welchen Umständen das geschehen ist.

 
Es gibt aber auch viele, bei denen es anders war. Sie sind von klein auf mit dem Vertrauen zu Gott und Jesus aufgewachsen. So habe ich es erlebt. Ich habe vor allem an meinen Eltern gesehen, was der Glaube ihnen gegeben hat. Und so bin ich nach und nach in diesen Glauben hineingewachsen und irgendwann war es dann mein Glaube.  Und dann gibt es Menschen, bei denen war es noch anders: sie haben erst später den Glauben an Jesus kennen gelernt. Sie hatten ursprünglich überhaupt keinen Zugang. Aber sie hatten vielleicht Freunde, die sie eingeladen haben zum Jugendkreis. Oder einer traf bei seiner Arbeit auf einen Kollegen, von dem etwas Besonderes ausging. Irgendwie anders als die andern. Und dann lud dieser Kollege ihn ein zum Männerfrühstück. Er ging mit, und es gefiel ihm ganz gut. Das nächste Mal ging er wieder hin, und dann wieder. Dann besuchte er einen Gottesdienst.  Und dann hatte er sein Damaskuserlebnis. Merkte, dass Gott nach ihm griff.

 
Egal, wie und auf welche Art und Weise es geschieht – aber jeder von uns hat es erlebt, dass Gott nach ihm gegriffen hat. Sonst wären wir ja nicht hier.  Und das merkt jetzt auch Saulus. Dass Jesus ihn ergriffen hat. Ohne Vorwarnung, aus heiterem Himmel. So liegt er nun am Boden und stammelt: „Herr, wer bist du?!“  Lesen wir weiter:  ‚Ich bin Jesus, den du verfolgst!", antwortete die Stimme. Steh auf und geh in die Stadt. Dort wird man dir sagen, was du tun sollst.‘  Die Begleiter des Saulus standen sprachlos da, denn sie hatten zwar die Stimme gehört, aber niemanden gesehen. Als Saulus aufstand und die Augen öffnete, konnte er nicht mehr sehen. Da nahmen sie ihn an der Hand und führten ihn nach Damaskus. Drei Tage lang war er blind und wollte weder essen noch trinken.“  

 
Was mögen das wohl für anstrengende drei Tage gewesen sein! Was mag in diesen drei Tagen wohl in Saulus vorgegangen sein? Wie mag das wohl sein, wenn dir schlagartig klar wird: alles, was ich bisher gemacht habe, war falsch! Wofür ich mich eingesetzt habe - es
war grundverkehrt! Mehr noch: durch das, was ich getan habe, habe ich abgrundtiefe Schuld
auf mich geladen! Aller Zweifel an Jesus war verflogen und Saulus war klar geworden, dass sein bisheriger Weg völlig falsch gewesen war. Und wenn man das als Bilanz seines Lebens sehen muss, dann kann einen das eigentlich nur runterziehen und deprimieren.
Aber in dem, was jetzt weiterhin passiert, sehen wir, dass Jesus nicht nur lebt, sondern dass er auch liebt. Er demonstriert dem Saulus nicht nur seine Übermacht, sondern er zeigt ihm auch einen neuen Weg. Er durchkreuzt nicht nur sein bisheriges Leben, sondern er gibt seinem Leben einen neuen Sinn.

 
Lesen wir weiter: In Damaskus wohnte ein Jünger Jesu, der Hananias hieß. Dem erschien der Herr in einer Vision. "Hananias", sagte er zu ihm. "Ja, Herr, hier bin ich", erwiderte der
Mann. Der Herr forderte ihn auf: "Geh zur Geraden Straße in das Haus des Judas, und frag
dort nach einem Saulus von Tarsus. Er betet gerade und hat in einer Vision einen Mann ge-
sehen, der Hananias heißt. Dieser kam zu ihm und legte ihm die Hände auf, damit er wieder sehen kann."  "Aber Herr", wandte Hananias ein, "ich habe schon von so vielen gehört, wie grausam dieser Saulus deine Gemeinde in Jerusalem verfolgt. Außerdem haben wir erfahren, dass er eine Vollmacht der Hohenpriester hat, auch hier alle gefangen zu nehmen, die an dich glauben."   Von Saulus, von Paulus, hören wir noch oft in der Bibel. Die Hälfte vom Neuen Testament besteht aus Briefen, die er geschrieben hat.  Aber von diesem Hananias, da hören wir nur an dieser einen Stelle etwas. Er ist wohl nur dazu da, damit
Paulus am Anfang seines Christenlebens spürt: Jesus nimmt mich an, trotz meiner schlimmen Vergangenheit! Hananias ist derjenige, der zu Saulus gehen soll, um ihm auf seinem neuen Glaubensweg weiterzuhelfen. Natürlich hat er gehört, dass der Christenhasser auf dem Weg in seine Stadt ist. Und natürlich hat er Angst davor, dass Saulus zuschlägt und Frauen und Kinder und Männer wegführt, damit sie gefoltert und umgebracht werden, nur weil sie an Jesus Christus glauben. Und jetzt soll ausgerechnet er, Hananias, diesem Christenhasser gegenübertreten. Und man kann es förmlich zwischen den Zeilen spüren, wie Hananias vor Angst schlottert. Was, Jesus, zu dem soll ich hingehen?! Da kann ich ja gleich zum Henker gehen!   „Doch der Herr sprach zu Hananias: "Geh nur! Ich habe diesen Mann dazu auserwählt, mich bei allen Völkern und Herrschern der Erde, aber auch bei den Israeliten bekannt zu machen.“

 
Ich kann den Hananias gut verstehen! Jesus verlangt etwas völlig Unmögliches von ihm. Wie würde es uns wohl gehen, wenn wir das jetzt so machen sollten? Würden wir uns dahin schicken lassen?  In dem, was Hananias erlebt, sehe ich eine große Anfrage an mich selber: bin ich bereit, Jesus zu vertrauen, wenn er sich uns in den Weg stellt und etwas von uns verlangt, was uns unmöglich vorkommt? Ich denke an die Eltern, die sich so sehr auf ihr Kind freuen. Aber noch während der Schwangerschaft wird klar: wir werden mit diesem Kind auch eine große Aufgabe bekommen! Es wird eine starke Behinderung haben und nie selbständig leben können. Als dieser Befund kam, da war das so ähnlich für diese Eltern wie damals für den Hananias: Geh hin! Und sie haben sich so schwer getan. Aber sie haben sich entschieden: wir bekommen dieses Kind!  Und dann wurde es zwischendrin immer wieder schwer für sie. Als das Kind größer wurde und die Eltern zuerst überall auf Ablehnung stießen: in Kindergärten, in der Schule. Alle sagten: das ist uns zu schwer, das kriegen wir nicht hin! Für jede Kleinigkeit mussten die Eltern kämpfen! Eigentlich eine unmögliche Aufgabe!  Aber sie sind darauf zugegangen! Und sie haben Schritt für Schritt gemerkt, wie sie weiterkamen. Oder ich denke an Menschen, die vor einer anderen großen Herausforderung stehen. Da liegt ein familiäres Problem wie ein dicker Stein im Weg. Klar ist: es muss eine Lösung her! Aber je länger sie darüber nachdenken, desto deutlicher wird: wir kriegen diese Lösung nicht geschenkt! Wir müssen uns darum bemühen. Müssen uns auf einen Weg einlassen, von dem wir noch nicht wissen, wie er ausgeht. „Doch der Herr sprach: "Geh nur!“ Hananias hat Angst vor dem Unmöglichem, das Jesus jetzt von ihm erwartet. Wer wollte ihm darin verdenken?! Und doch geht er los! Jesus schafft es, die Angst in ihm zu überwinden. Und Jesus kann es auch schaffen, die Angst in dir zu überwinden!   

 
Wir lesen weiter:  Hananias „ging in das Haus des Judas, fand dort Saulus und legte ihm die Hände auf. ‚Lieber Bruder Saulus‘, sagte er, ‚Jesus, der Herr, der dir unterwegs erschienen ist, hat mich zu dir geschickt, damit du mit dem Heiligen Geist erfüllt wirst und wieder sehen kannst.‘   Im selben Moment fiel es Saulus wie Schuppen von den Augen, und er konnte wieder sehen. Er stand auf und ließ sich taufen.“  Saulus wird schlagartig klar, dass Jesus lebt. Und jetzt merkt er auch, dass Jesus ihn liebt. Durch die Zuwendung, die Hananias ihm entgegenbringt. Durch Hananias werden Saulus endgültig die Augen geöffnet dafür, dass der Glaube an Jesus Christus sein Leben weit machen will. Dadurch, dass Hananias nicht gekniffen hat, kommt Saulus raus aus der Enge. Er muss nicht mehr so engstirnig von Gott denken wie bisher. Er muss sich nicht mehr alle Lebensfreude verkneifen aus Angst davor, Gott könnte etwas dagegen haben.  Er muss nicht mehr pausenlos ängstlich fragen, ob er irgendwas getan hat, worüber Gott böse werden könnte. Saulus blüht auf zu einem völlig neuen Leben in der Freiheit der Kinder Gottes.  Möglich wird das dadurch, dass Hananias losgeht! Trotz seiner Angst! Trotz allem, was dagegen spricht. Und er merkt: wenn Jesus mich losschickt, und wenn ich mich schicken lasse, dann weiß er auch einen Weg für mich!
Dann wird keine Aufgabe zu schwer, damit aus einem Saulus ein Paulus wird. Aus einem Christenhasser ein Christusjünger.

 
Was mag wohl die Hananiasfrage an dich und an mich sein? Wer könnte das in meiner Umgebung sein, auf den ich zugehen soll? Auch wenn ich vielleicht Angst davor habe,
oder einen Widerwillen, so dass ich es immer wieder aufschiebe und wegschiebe. Aber wenn Gott mir das sagt, dann heißt es: losgehen! Geh hin. Schreibe, telefoniere, maile. Schieb es nicht auf! Steh auf und geh hin! Gott wird den Weg segnen.  

 
Und umgekehrt: wer wird vielleicht auf mich zukommen? Mich anrufen? Mit mir reden?
Wer wird zu meinem Hananias? Und wenn er dir über den Weg läuft, dann nimm ihn auf. Damit Gottes Weg mir dir zum Ziel kommt und Sein Name groß wird! Amen.

 
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