14.04.2019
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Predigt vom 14. April 2019
Gnade
sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus
Christus, Amen.
Liebe
Gemeinde,
eigentlich
ist als Predigttext für den heutigen Palmsonntag ein Text aus dem
Buch des Propheten Jesaja vorgesehen, genauer Kapitel 50, die Verse
4-9.
Ich
möchte heute aber gerne über das Lied reden, das wir gerade
gesungen haben: „Er weckt mich alle Morgen“. Der Text dieses
Liedes wurde in der Karwoche 1938 von Jochen Klepper gedichtet.
Ich
weiß nicht, wem der Name Jochen Klepper etwas sagt. Er war Theologe,
Schriftsteller und Journalist zur Zeit des Nationalsozialismus und
lebte in seinen letzten Jahren in Berlin. Nicht weit weg von seinem
ehemaligen Wohnhaus bin ich zur Schule gegangen.
Zugegebenermaßen
wusste ich damals nicht viel mit dem Namen anzufangen. Am stärksten
hat sich eingeprägt, dass wir im Sportunterricht, wenn es daran
ging, 2 oder 3 km Läufe zu machen, immer zuerst den
Jochen-Klepper-Weg entlang gerannt sind.
Jochen
Klepper begann seinen Tag üblicherweise damit, die Losungen für den
Tag zu lesen oder allgemein in der Bibel. An dem besagten Tag in der
Karwoche las er den Text aus dem Jesaja-Buch, der für heute
Predigttext gewesen wäre, und, soviel verrät uns sein Tagebuch, der
Text ging ihm den ganzen Tag nicht mehr aus dem Kopf. Und so entstand
unser Liedtext.
„Er
weckt mich alle Morgen, er weckt mir selbst das Ohr.
Gott
hält sich nicht verborgen, führt mir den Tag empor,
dass
ich mit seinem Worte begrüß das neue Licht.
Schon
an der Dämmerung Pforte ist er mir nah und spricht.“
So
die erste Strophe.
Jochen
Klepper hat kein einfaches oder sorgenfreies Leben geführt, aber
eine Erfahrung hat er gemacht: Dass Gott für ihn da ist und ihn
jeden Tag hindurch begleitet. Gott, der sich nicht verborgen hält
und sich von uns finden lassen will, jeden Tag neu. Dieses große
Vertrauen zu Gott, das finden wir in allen seinen Liedern und Texten.
Und
noch etwas hat Jochen Klepper in seinem Leben erfahren: Dass Gottes
Wort Kraft hat.
Das
haben wir auch in der zweiten Strophe gesungen:
„Er
spricht wie an dem Tage, da er die Welt erschuf.
Da
schweigen Angst und Klage; nichts gilt mehr als sein Ruf.
Das
Wort der ewgen Treue, die Gott uns Menschen schwört,
erfahre
ich aufs Neue, so, wie ein Jünger hört.“
„Er
spricht, wie an dem Tage, da er die Welt erschuf“.
Wir
denken an das erste Buch Mose und den ersten Schöpfungsbericht: „Und
Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.“ heißt es da.
Gott
hat aber nach diesem ersten Wort nicht aufgehört zu reden, sondern
Gott wirkt mit seinem Wort noch immer und immer wieder in unserer
Welt. Gott schenkt uns durch sein Wort das Leben und jeder neue Tag
ist uns genauso geschenkt. Jeder neue Tag ist genauso neu wie der
erste Tag der Schöpfung. Manchmal fühlt sich das nicht so an.
Manchmal fühlt sich jeder Arbeitstag gleich an und die Liste von
Dingen, die es noch zu erledigen gibt, bleibt auch irgendwie die
gleiche.
Unsere
Sorgen und Ängste tragen wir mit uns von einem Tag zum anderen und
oft verblasst dahinter der Blick auf das, was gut ist und schön an
und in unserem Leben.
Kinder
nehmen das noch anders war: Jeder Tag ist eine neue Gelegenheit,
immer gibt es irgendetwas zu entdecken und neues zu sehen. Was
gestern war ist vorbei und was morgen kommt noch nicht im Blick.
Meine
Mutter erzählt bei passender Gelegenheit gerne, wie mein
Zwillingsbruder und ich das erste Mal alleine zum Kindergarten gehen
durften. Natürlich ging sie in gewissem Abstand hinterher, um zu
sehen, dass wir auch heil ankommen.
Ich
sag es mal so: Zeit spielte keine Rolle.
Der
Weg hin zum Kindergarten war mindestens genauso spannend wie der
Kindergarten selbst. Ob es ein Marienkäfer war, den es sich sehr
ausgiebig anzugucken lohnte, oder ein kleines Loch in einer
Gartenmauer, das höchst professionell mit kleinen Steinen gefüllt
werden musste, es gab viel zu tun und an jeder Ecke wieder was
spannendes zu entdecken.
Unseren
Täuflingen ist zu wünschen, dass sie immer diese Faszination für
die Welt behalten und uns Erwachsenen, dass wir diesen Blick auf die
Welt immer wieder finden, vielleicht auch gerade mit Hilfe der
Kinder.
Zur
Taufe passt auch der zweite Teil der Strophe: „Das Wort der ewgen
Treue, die Gott uns Menschen schwört, erfahre ich aufs Neue, so, wie
ein Jünger hört.“
Im
sogenannten Taufbefehl, den wir vorhin gehört haben, sagt Jesus ja:
„Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet
hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und
des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was
ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an
der Welt Ende.“
Gott
hat in der Bibel uns Menschen immer wieder zugesagt, dass er mit uns
seinen Bund schließt und es ist gut, wenn wir uns zur Taufe von
gleich fünf Täuflingen daran erinnern, dass Gott diesen Bund auch
hält. Das ist auch der erste Teil, was mit „wie ein Jünger hört“
gemeint ist: Auch, wenn wir nicht dabei waren, als Jesus vor 2000
Jahren durch die Lande zog und predigte, trotzdem ist das, was er
seinen Jüngern zugesagt hat, immer noch gültig. Wenn er seinen
Jüngern das kommende Reich Gottes und das ewige Leben zuspricht, so
ist es uns auch zugesprochen.
Das
zweite: Wenn die Bibel von Jüngern spricht, meint sie zwar meistens
eine bestimmte Gruppe von zwölf Männern, die mit Jesus
umherwanderten. Man kann aber stattdessen auch mit „Lernende“
übersetzen. Für uns heißt dass: Wenn wir Gottes Wort richtig hören
wollen, müssen wir uns eingestehen, dass wir alle Lernende sind.
Egal, wie lange wir leben und wie viel wir lernen, Gott ist uns immer
ein Stück voraus. Das hat auch etwas beruhigendes: Gott kann und
wird mir vorausgehen und mich führen. Und auch, wenn ich manchmal
den Weg nicht mehr sehe, Gott wird mich immer auf den rechten Pfad
zurückbringen, zumindest dann, wenn ich mich darauf einlasse, mich
von ihm führen lasse.
Damit
beginnt auch die dritte Strophe:
„Er
will, dass ich mich füge. Ich gehe nicht zurück.
Hab
nur in ihm Genüge, in seinem Wort mein Glück.
Ich
werde nicht zuschanden, wenn ich nur ihn vernehm.
Gott
löst mich aus den Banden. Gott macht mich ihm genehm.“
In
dieser Strophe unseres Liedes finde ich zwei Dinge besonders wichtig.
Das
erste ist die Zeile „Ich werde nicht zuschanden, wenn ich nur ihn
vernehm“.
Bewusst
möchte ich die Betonung des Satzes auf das Vernehmen setzen, also
auf das Hören auf Gott. Hören auf Gott, dass kann für jeden ganz
unterschiedlich sein. Für den einen passiert das im Gottesdienst,
für die andere vielleicht beim Spazierengehen.
Wichtig
ist nur, dass wir uns bewusst sind, was wir dafür brauchen, damit
wir auf Gott hören können und uns diese Zeit nehmen. Wenn wir
Stille brauchen und Allein-Sein oder andere Menschen, die uns über
ihr Leben oder ihren Zugang zu Gott berichten, ob wir Kirche dazu
brauchen und die Gemeinde oder vor allem uns selbst, dass ist sicher
für jeden unterschiedlich.
Und
einen richtigen Weg gibt es auch nicht, auch wenn ich vollkommen
selbstlos den sonntäglichen Gottesdienst empfehle.
Der
zweite Punkt aus der dritten Strophe: „Gott löst mich aus den
Banden. Gott macht mich ihm genehm.“
Wir
blicken an diesem Palmsonntag natürlich auf Ostern. Zum einen wissen
wir, dass der Karfreitag mit der Passion Christi kurz bevor steht,
zum anderen freuen wir uns auf das Ende der Passionszeit am
Ostersonntag. Palmsonntag hat für mich immer eine gewisse
Sonderstellung. Ja, wir wissen, dass der Karfreitag kommt, aber
dieser Sonntag ist ja benannt nach den Palmenzweigen, mit denen die
jubelnde Menge Jesus den Weg bereitet, als er nach Jerusalem
einzieht.
Für
mich ist das immer ein Sonnenstrahl im dunklen Himmel des Passion.
Jesus zieht ein auf einem Eselsfüllen und die Menge jubelt. Sie
jubelt ihrem Heiland zu, dem, der wunderwirkend durch das Land zog
und auf den sie so lange gewartet haben. Dass ist schon ein kleiner
Vorgeschmack auf die Freude von Ostern, ein kleiner Blick auf das
Reich Gottes, das kommen wird.
Deshalb
passt es auch, dass wir an diesem Passionssonntag Taufe feiern, weil
wir schon auf Ostern und das kommende blicken.
Und
damit komme ich auch wieder zurück zu unserer Strophe: „Gott löst
mich aus den Banden“.
An
Ostern zeigt sich uns das ganz besonders stark, dass im Leben und
Auferstehen Jesu Christi wir von den Banden befreit sind, befreit von
Sünde und Schuld hin zum Leben in Freiheit und zum ewigen Leben mit
Gott. Gott macht sich uns „genehm“. Er verspricht uns, dass uns
unsere Sünden vergeben sind, dass wir leben können, ohne Schuld.
Auch
daran soll uns die Taufe erinnern: Dass unsere Sünden von uns
abgewaschen sind und immer wieder um Christi willen von uns
abgewaschen werden, egal, wie lange oder kurz unsere Taufe her sein
mag.
Zu
diesem Ausblick auf Ostern, auf Reich Gottes und Befreiung von allem,
was uns fesselt, passt auch die fünfte Strophe unseres Morgenliedes:
„Er
will mich früh umhüllen, mit seinem Wort und Licht,
verheißen
und erfüllen, damit mir nichts gebricht;
will
vollen Lohn mir zahlen, fragt nicht, ob ich versag.
Sein
Wort will helle strahlen, wie dunkel auch der Tag.“
Hier
schließt sich der Kreis unseres Liedtextes. Wir sind zurück am
Anfang, beiGottes Wort, Gottes Licht. Und die Verheißung von Ostern,
die gerade schon in der dritten Strophe in dem Lösen der Bande
vorkam, hier ist sie noch einmal ausformuliert. Gott will mich
erfüllen, seine Verheißung an mir erfüllen. Gott zahlt mir meinen
vollen Lohn, ganz egal, ob ich ihn nach menschlichen Maßstäben
verdient habe. Wir können auch an das Wort aus Psalm 23 denken: „er
schenket mir voll ein“.
Jochen
Klepper hat dieses Bewusstsein von Gottes Gnade und Gegenwart immer
behalten, er hat immer darauf vertraut, dass Gottes Licht in uns und
unserer Welt leuchtet.
Und
auch, und dass sehen wir in der letzten Zeile des Liedes, wenn der
Tag dunkel ist. Wenn es mal nicht so einfach geht oder sogar schwer
wird. Gott will bei uns sein, will uns trösten und uns jederzeit
Freude schenken an unserem Leben, an jedem einzelnen Tag, den Gott
mit seinem Wort ins Dasein ruft.
Amen.